Die zwei großen Herausforderungen des Techno-Albums bestehen einerseits darin, eine Story zu erzählen, wie es sich mit einem DJ-Set noch relativ einfach machen lässt, und andererseits ein Statement darüber zu transportieren. In wenigen Fällen gelingt eines davon, in den allerseltensten beides zugleich. David Letellier hat seine Karriere als Kangding Ray eigentlich nicht im Techno begonnen, sondern trat zuerst als Ambient-Künstler in Erscheinung, der sich nach und nach dem Dancefloor annäherte. Das hat weniger damit zu tun, dass der Franzose sich den Marktmechanismen beugt und mehr damit, dass er den Nicht-Ort Club als politischen begreift. Sein fünftes Album als Kangding Ray folgt überraschend schnell auf »Solens Arc« aus dem letzten Jahr, Letelliers bisher straighteste Platte. »Cory Arcane« orientiert sich an der gleichnamigen fiktiven Figur, die laut Coverartwork zwar eher weiblich erscheint, dem Vornamen nach aber entweder oder und dem Nachnamen zufolge keines von beidem sein könnte. Ebenso spielt »Cory Arcane« auch musikalisch mit Ambiguitäten: Obgleich die Kick sich dem Four-To-The-Floor-Diktat anpasst, passiert drum herum dermaßen viel, das nicht zuzuordnen ist, dass sich die neun Tracks wohl kaum als simple Peak-Time-Tools verkaufen ließen. Nein, so simpel sie zuerst wirken, so komplex sind sie im Einzelnen. Ähnlich wie das Coverartwork zu »Cory Arcane« verhält es sich nämlich mit der Musik Kangding Rays, die auf dieser Platte gewagte Subtilitäten feinsinnig in ein großes Ganzes einflechtet. Dieses wiederum kann als Erzählung im herkömmlichen Sinne nicht funktionieren, weil es eben zu komplex und doppeldeutig ist. Das aber macht es zu einem Statement, das ähnlich wie die Musik simpel scheint und doch doppelbödig ist. Die Dinge sind nämlich, das spricht der Techno-Entwurf Letelliers zwar deutlich, nicht aber eindeutig aus, komplexer als sie scheinen. Was ist das in Zeiten, die von Schwarz-Weiß-Denken geprägt werden, wenn keine hochpolitische Aussage?
Cory Arcane