Es mangelt nicht an Compilations, die die Arbeit vermeintlich vergessener japanischer Schlafzimmertüfler:innen dokumentieren; mittlerweile hat sich daraus ein eigenes Genre entwickelt. Zuletzt aber schien es immer mehr, als ob alle Möglichkeiten ausgereizt seien und dass Labels überall nur mehr verzweifelt die Dokumente von egal welchen Typen aus Tokio herausbringen, die mal in der Nähe eines Aufnahmegeräts gefurzt haben – Hauptsache, es ist irgendwann zwischen 1975 und 1989 passiert. »Fossil Cocoon: The Music of K. Yoshimatsu« ist anders, und sei es nur, weil es von Phantom Limb nicht als heiliger Gral apostrophiert wird – obwohl seine Veröffentlichung nichts weniger als eine absolute Sensation ist. Die Arbeit Yoshimatsus wurde bereits zuvor in einer Anthologie zusammengefasst, als Bitter Lake 2019 eine Zusammenstellung von Stücken veröffentlichte, die er unter dem Namen Juma herausgebracht hatte.
Seine umfangreiche Diskografie aus den frühen 1980er-Jahren – wir sprechen von etwa 25 Alben unter verschiedenen Pseudonymen – wurde indes nie umfangreich für die breite Öffentlichkeit zugänglich gemacht. Ohne die Beihilfe von ein oder zwei Super-Nerds wären seine extrem seltenen Veröffentlichungen wohl nicht einmal auf Discogs gelistet. Die Zusammenstellung einer Compilation mit nur sechs Tracks kann das alles nicht adäquat wettmachen, hoffentlich aber markiert »Fossil Cocoon« nur den Ausgangspunkt einer Neubewertung von Yoshimatsus eigener Musik sowie der 222 (!) Platten, die er zusammen mit Tadashi Kamada über deren Label DD. Records, neben Vanity und Pinakotheca eines der produktivsten frühen Indie-Labels in Japan, herausgegeben hat.
Die stilistische Vielfalt dieser Tracks, von denen zwei zusammen mit der Sängerin Fumie Yasamura aufgenommen wurden, ist frappierend. Da ist das Stück, das wie eine Blaupause für Frankie Knuckles‘ »Your Love« klingt, das andere, das »Music for Airports« als auditiven Horrorfilm neu interpretiert, das nächste, das donnernde Industrial-Percussion mit beruhigenden New-Age-Synthesizern kombiniert, und natürlich der Tune, der wie ein Porter-Ricks-Track circa »Biokinetics« klingt, mehr als ein Jahrzehnt vor der Veröffentlichung dieses Albums. Es gibt Momente von Herzschmerz-Pop, schnittig-punkigem Wave, collageartigen Experimenten, surfigem Krautrock à la Manuel Göttsching und noch einiges mehr – oft innerhalb desselben Songs.
Da »Fossil Cocoon« nur einen winzigen Bruchteil von Koushirou Yoshimatsus Schaffen repräsentiert, reicht das alles nicht aus, um sein Schaffen wirklich neu urbar zu machen. Das macht es aber nicht weniger wichtig: Es dient hoffentlich vielen als Türöffner in die Welt dieses idiosynkratischen Musikers, der neben der Produktion des einen oder anderen Albums für andere heutzutage vor allem in der Filmindustrie tätig ist, bevor sein visionäres Werk in Zukunft einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich gemacht wird. Soll heißen: In einem Meer von unnötigen Reissue-Compilations sticht diese hier als absolut essentiell hervor.
Fossil Cocoon: The Music Of K. Yoshimatsu