»Bin der total Fremde hier.« Die Stimme, an der wir uns in diesem Fluss von Field Recordings festhalten, taugt nur bedingt als Reiseleitung. Wir suchen in ihnen nach dieser Stimme, ihrem Münchner Sound, die uns punktuell mit bildlichen Ankern zu den Geräuschen versorgt. Der Mensch, dem sie gehört, heißt Jürgen Ploog Und Jürgen Ploog ist unterwegs: in Kathmandu, in Penang, in Delhi, zwischen Tempeln und Hotelhallen, Mopeds und Gamelan, Bar-Jazz und Intercoms, er geht ins Kino oder ans Meer, flaniert oder zappt durchs Programm. Er gleitet, ruhelos und unbehaust, über die Oberflächen: Wechsel filmmusikalischer Tropen, Inkohärenz einer angetrunkenen Abendrunde, »offene Restaurants und verschleierte Frauen«. Die argumentative Kette einer selbstreflektierenden Passage endlich ist durch zahlreiche Schnitte zerbrochen. Der Schriftsteller Ploog arbeitete damals an seinem Roman »RadarOrient«, der soeben (mit einer CD-Fassung dieser Aufnahmen) neu aufgelegt wurde. Die desorientierenden, Bedeutungsfunken schlagenden Cut-Up-Techniken von William S. Burroughs prägen ihn als Autor der deutschen Beat Generation. Die Bänder allerdings spiegeln vor allem ein berufsbedingtes Erleben wider: Jürgen Ploog arbeitete 33 Jahre als Linienpilot. Jenseits ihres konkreten »Fast Nichts« (wie Luc Ferrari seine anekdotischen Feldaufnahmen nannte) ist es das Zappen durch die Welt, der Rausch zeitlicher und räumlicher Dislokation und Zwischenexistenz in toter Zeit, dem er sich und uns hingibt. »Je dunkler die Gegend, desto intensiver die Geräusche« ist noch so ein zentraler Satz, der dabei fällt. Die offene Form lässt nur an die Oberflächen, die dafür umso plastischer hervortreten, in einer atmosphärischen Verdichtung von Leere, die überrascht und fesselt. Ist »Tapes von unterwegs 1971-1976« ein früher Spiegel unseres heutigen mentalen Jetlag permanenter Vernetzung? Und wenn ja, wie ist uns dessen fruchtbare Dunkelheit abhanden gekommen?
Tapes Von Unterwegs 1971-1976