Was, wenn der große Moment einfach ausbleibt? Die heute 74-jährige Joyce Moreno könnte Teil der großen brasilianischen Musikgeschichte sein, ihr Name in einem Atemzug mit Größen wie João Gilberto oder Sergio Mendes genannt werden. Sollte nur nicht sein. Wohl wegen »Natureza« – weil dieses Album nie erschien. Bis jetzt. Joyce Moreno galt bereits Anfang der 1970er-Jahre als außergewöhnliche Stimme. Die Zeichen standen gut, Bossa Nova eroberte gerade die Welt. Dann sah es ein paar Jahre später aus, als ob der Durchbruch kommt: Joyce Moreno ging ins Studio und nahm mit den richtigen Musikern (u.a. Songwriter Mauricio Maestro) »Natureza« auf. Doch alle Versuche scheiterten, dieses Album rauszubringen. Auch weil längst andere Genres den Takt für das internationale Publikum angaben. Über die Jahrzehnte hatte Joyce Moreno in ihrer Heimat Brasilien noch einige Hits. Die Chance auf den internationalen Durchbruch dahin, doch über die Zeit nährten sich die Gerüchte um »Natureza«, das nun zum ersten Mal vollständig und in der Form erscheint, wie von Joyce Moreno beabsichtigt. Die Platte beginnt (wenig leichtfüßig) mit dem elf Minuten dauernden »Feminina«, ein Zwiegespräch zwischen Mutter und Tochter über das Frausein. Die Harmonien von Flöte und Gitarre fliegen nur so dahin, in der Länge fordert der Song aber Aufmerksamkeit. Bossa Nova mit mehr Jazz als Folk eben. In »Mistérios« wird klar, warum Joyce Moreno als eine der großen Stimmen ihrer Zeit galt. Hinzukommt die Produktion, die alle Instrumente klar nebeneinanderstellt, nie überfordert und vielmehr so eine beeindruckende Ruhe in die ausgefallenen Arrangements bekommt. Ein beeindruckendes Album, das nur für sich ein großer Moment ist. Auch heute noch.
Natureza