Review

Jonnine

Southside Girl

Modern Love • 2024

Zarte Töne eines Windspiels erklingen. Möwengeschrei füllt die Stille dazwischen. Dann setzt Jonnines hypnotische Stimme ein, verzaubert wie die Sirenen der griechischen Mythologie. Ihr viertes Album »Southside Girl« bezeichnet die Australierin als »beachside fever-dream«. Und der beschriebene Song »Star Anise« zeigt: Da ist was dran. Die elf Stücke klingen wie Collagen aus Field Recordings, spärlichen Piano-Loops und einer zerbrechlichen Stimme.

»Of sweetness / With a bone chilling wind / Spring’s deceit / I never feel dressed appropriately«, heißt es an einer Stelle. Der Gesang, der einen Strandspaziergang beschreiben könnte, wird vom Ticken vieler Uhren übertönt. Ruhe trifft auf Hektik. Schnell wird es beklemmend. In «Shell Cameo» klimpert das Keyboard in einer Endlosschleife, im Hintergrund läuft die Dusche. Plötzlich verstummt das Plätschern und Jonnine beginnt zu singen. Man fühlt sich wie ein Voyeur, der auf das Unheil wartet. Dumpf klingen Stimme und Perkussion in «Ornament», als stünde das Mikrofon im Nebenraum. Plötzlich wird die Musikerin selbst zur Feldaufnahme.

Mit »Southside Girl« setzt Jonnine dem Schneller-Lauter-Schriller der glatten Popproduktion ein Album voller Fragmente entgegen, das entschleunigend wirkt. Jedes Soundelement ist hörbar. Sei es ein Soundeffekt oder ein Ton, der Teil einer Melodie ist. Klassische Songstrukturen gibt es in diesen 29 Minuten nicht. Stattdessen gibt es ein Kopfkino, das gleichermaßen Hörspiel und Atmosphäre ist. Wer sich darauf einlässt, wird mit einer schaurig-schönen Reise an die Küste belohnt.