Wenn ein Komponist bis heute polarisieren kann, muss zumindest etwas an seiner Musik dran sein. Dass John Cage nach wie vor einer der einflussreichsten und zugleich umstrittensten Avantgardisten ist, spricht also durchaus für ihn. Viele seiner Ideen, angefangen bei seiner Art, Alltagsgeräusche in die Musik einzubeziehen, sind dabei inzwischen Standard. Auch einige seiner Ansätze in der elektronischen Musik wurden von anderen Künstlern aufgegriffen. Mit der Zusammenstellung »Early Electronic & Tape Music« kann man das bestens nachvollziehen. Sein klassisches Stück »Imaginary Landscape No. 5« zum Beispiel verwendet Aufnahmen von zufällig ausgewählten Schallplatten als Collage – hier u.a. Ausschnitte aus Mozarts »Eine kleine Nachtmusik«. Eine aleatorische Variante des Sampling, wenn man so möchte. Und in »Cartridge Music« (1960) wird die Musik durch manipulierte Tonabnehmer eines Plattenspielers erzeugt – mittlerweile eine gängige Strategie von Turntablisten. Dabei handelt es sich nicht um Aufnahmen von John Cage selbst, sondern um Rekonstruktionen durch das britische Projekt Langham Research Centre, das sich auf »authentische« Einspielungen klassischer elektronischer Musik spezialisiert hat – eine Art »historische Aufführungspraxis« von Musik des 20. Jahrhunderts. Inwiefern der Ansatz von John Cage jungen Hörern noch die Ohren öffnen kann, sei dahingestellt. Musikgeschichtlich interessant sind die Kompositionen allemal.
Early Electronic & Tape Music