Nach dreizehn Jahren kehrt die Songwriter gewordene Befindlichkeitsfixierung Jochen Distelmeyer mit eigenen Songs zurück. Das Werk heißt »Gefühlte Wahrheiten« – und macht da weiter, wo Distelmeyer eben steht. Nichts hat sich geändert. Distelmeyer setzt weiterhin mit großen Worten bei großen Gefühlen an. Der 54-jährige scheut weder Pathos noch überstrapazierte Metaphern. Der Mond, das Herz, die Liebe. Mit Distelmeyer gealterte Kulturredakteure finden in der Textexegese allerhand, aber »Gefühlte Wahrheiten« ist einfach ein Album über die Zweisamkeit, das Verlangen und die Sehnsucht. Und in »Tanz mit mir« schlägt ein Einfluss von Soul durch. Von den Lippen nur einen Kuss entfernt, ja, aber dieser subtile Groove, die runtergefahrenen Disco-Synthesizer, der Flirt des Basses mit Funk, all das macht diesen Song unwiderstehlich. Stücke wie »Gone Girl« (mit englischem Text und deutschem Akzent) sind dann wieder näher am bekannten und guten klassischen Indie-Pop und Songwriter-Sound von Distelmeyer. Den gibt es im letzten Song »Nicht einsam genug« sogar auf elfeinhalb Minuten mit Country-Anleihen gestreckt. Da sei es verziehen, dass Jochen Distelmeyer von Taschentüchern anderer Leute, Erleuchtung und Treffen mit Jesus singt. Wobei im ersten Song hieß es noch: »Ich singe für Dich, wenn Du Dich fragst, was eigentlich vor sich geht.« Von daher passt es wieder. Inklusive traumhaftem Bläser-Arrangement mittendrin. Und so ein wenig Gefühligkeit kann in diesen Tagen doch jeder brauchen.
Gefühlte Wahrheiten