Review Rock

Jessica Pratt

Here In The Pitch

City Slang • 2024

Es ist 2024 und eine Gruppe Jugendlicher lädt zum Picknick im Wald. Gepflückte Blumen werden drapiert und Sträucher gesammelt, die Idylle der Natur in der Horizontalen aufgesogen. Langhaarige Typen in Schlaghosen und Mädchen mit Schleifchen und ungebändigter Mähne drehen sich händchenhaltend im Kreis. In dessen Mitte: ein Engel mit weißblonden Locken und puppengleichem Antlitz. Nie war es so verlockend, einem Kult beizutreten, wie jenem im Musikvideo zu »World On A String«. Der zarte Engel im samtigen Zweiteiler ist Jessica Pratt, die fünf Jahre nach ihrem Erfolgsalbum »Quiet Signs« mit »Here in the Pitch« zurückkehrt und die Flower-Power-Ära der 60er-Jahre wieder aufblühen lässt.

Den Bariton eines Scott Walkers oder die Theatralik Judy Garlands zum Vorbild nehmend, schwingen im Vergleich zum Vorgängeralbum unerwartete Nuancen mit. So überrascht die Piano-Ballade „Empire Never Know“ mit ungewohnt tiefem Timbre, während die Percussion im Opener oder die Bossa-Nova-Nummer „By Hook or by Crook“ für einen eleganten Twist sorgen. Der Gesamteindruck bleibt dabei gewohnt loungig, der Klang noch intimer als bisher. Mystisch wie eh und je lockt Pratts Stimme wie der Gesang einer Sirene, der ein Entkommen unmöglich macht. Das subtile Unbehagen kommt nicht von ungefähr – die düsteren Geschichten um Kaliforniens Kultsektenführer Manson waren es, die Pratt zur Entstehung der Platte inspirierten.