Jazz anders denken, neu denken, umdenken – an einer Hand ließe sich abzählen, wem das in jüngster Zeit noch mal gelang. Die Luft ist raus, so scheint es. Mitchell van Dinther bringt mit seinem zweiten Album als Jameszoo Soundskizzen an den Start, die dem widersprechen. »Blind« ist ähnlich herausfordernd wie der vielgelobte Vorgänger »Fool« allerdings völlig anders arrangiert und produziert. Mitchell umgeht sich selbst als Protagonist dieses Albums, nimmt stattdessen befreundete Häretiker dabei auf, wie sie seine Kompositionen interpretieren, ohne dass er anwesend wäre. Andere haben das auch schon versucht, aber nicht so. Dutzende solcher Aufnahmen verballhornt und dekonstruiert er daraufhin erneut und unternimmt im Prozess erfolgreich den Versuch, die Rolle des Solisten aufzulösen. Dabei entstand eine Eigendynamik, die zu unerwarteten Resultaten führte: Generativer, elektronischer Jazz, der sich menschlichen wie maschinellen Fähigkeiten bedient und stellenweise die Ränder des Genres gänzlich aufzuweichen versteht. Motorisierte Instrumente wie das Disklavier spielen hier Tonabfolgen, die unserer Physiognomie derzeit noch unzugänglich sind, während seriell verschaltete Module synthetischen Minimalismus und Cut-Up-Techniken vermählen. Dazu ein absurder Cast hochtalentierter Kollaborateure vom Kaliber Peter Eldh, Evan Parker, Oliver Johnson (Dorian Concept,) Matthew Bourne, John Dikeman – und Alejandro Jodorowsky, der Jameszoo in einem viertelstündigen Zoom-Call mittels Tarotkarten gezwitschert hat, wie er zum Shapeshifter, letztlich zu Musik selbst werden kann. Moondog? Sun Ra? John Zorn? Sky is the limit, baby. Irrwitziger produzierte Konventionsbrüche gab es in der Form jedenfalls schon lange nicht mehr.
Blind