Jacobus Derwort lag im malerischen Oliva, an der spanischen Mittelmeerküste bereits im Sterben, als er unerwarteten Besuch bekam. Sein alter Freund und Bandkollege, der niederländische Multi-Instrumentalist Hanyo van Oosterom, hatte sich bei ihm die Erlaubnis abholen wollen sämtliche »Bamboo«-Tapes neu zu mischen, die J.Derwort in den späten Achtzigern mit handgemachten Bambusflöten auf einem zweispurigen ReVox-Rekorder aufgenommen hatte. Als Teil einer tiefgehenden Selbstsuche verbrachten beide im Jahr 1983 viele Monate in der Umgebung des gigantischen Felsens Kallikatsou, der auf einer Insel der südlichen Ägäis gelegen in vergangenen Jahrtausenden schon als prähistorisches Heiligtum, Kultstätte und Eremitage diente. Wer also, wenn nicht Hanyo van Oosterom, sollte diese letzten Aufnahmen Derworts für die Nachwelt aufbereiten? Schließlich hatten die beiden diensthabenden Expeditionsleiter des sublimen Urwald-Ambients in den letzten Jahren den Backkatalog von Astral Industries schon um einige entrückende Live-Aufnahmen des neu belebten Projekts The Chi Factory erweitert, das ursprünglich als CHI (mit Derwort an Bord) von 1983 bis 1987 bestand. Beide waren zudem musikalisch während genau dieser New-Age-Konjunkturphase aktiv, als sich Field Recordings, Tribal Ambient oder die sogenannte »World Music« nicht nur bei Tantra-Gruppen und meditierenden Alt-Hippies wachsender Beliebtheit erfreuten, sondern die Charts (Enya? Vangelis?) genauso wie den Untergrund (Muslimgauze 23 Skidoo?) prägten. Wahrscheinlich auch deshalb, weil Trips á la »Bamboo Music« abseits esoterischer Verklärung selbst beinharte Weltschmerzzyniker zu Kartografen innerer Kontinente machen können. Betonung auf können. 2016 hatten van Oosterom und Derwort schon mal alte Tapes ausgekramt, die vor und nach der CHI-Ära zusammengeschustert wurden und seither verstaubten. »The Bamboo Recordings« heißen diese um ein paar neue Aufnahmen erweiterten, schnell vergriffenen Archivfunde, deren Einsiedler-Vibes jedes Wohnzimmer in ein Baumhaus am Ende der Welt verwandeln. Ähnlich ausgewogen zwischen altem und neuem Material mischte van Oosterom nun J. Derworts »Bamboo Music« als organische Suite ab, deren Aufnahmen von der ersten Kassette 1987 bis zum letzten Konzert 2018 im Jazzcafé Dizzy in Rotterdam reichen. Es ist somit das finale Werk Jacobus Derworts, der hoffentlich wie auf dem Cover schon längst in friedlichere Sphären aufgetaucht ist. Durch das wallende Summen der Insekten, über die blubbernden Grundierungen zigfach gelayerter Feldaufnahmen, vorbei an den fernen Rufen hölzerner Flöten vermacht er uns Musik, die daran kaum Zweifel offen lässt.
Bamboo Music