Anscheinend passiert es immer noch, dass die Stadt Den Haag in ihrer Rolle für die jüngere Musikhistorie unterschätzt wird. Gerade für die Randbereiche der elektronischen Musik, die sich dem Industrial, dem EBM oder auch der Italo-Disco widmeten, darf die Stadt nicht unerwähnt bleiben. Von hier aus eroberte I-F und sein intergalactic.fm-Radio die Welt; und nun macht sich die Russin Inga Mauer auf, ihm gleich zu tun. Dies auch schon mit gewissem Erfolg. Als DJ schon seit längerem gefragt, wurde ihre erste EP »From Cologne to Clone« auf Hivern Disc abgefeiert. Nicht ohne Grund: Die Falllinien von Köln (und dem ansässigen Kompakt-Label) nach Amsterdam und dem Clone-Label sind so offensichtlich, wie sie auch subtil sind. Inga Mauer ist eine genaue Beobachterin von musikalischen Trends im Bereich Techno. Das beweist sie nun auch auf ihrer ersten Single auf dem Dresdner Label Shtum (ein Ableger von Uncanny Valley). »shtum 012«, so simpel wie prägnant benannt, bietet ätherische 808-Rhetorik, die immer wieder Richtung EBM lugt, doch sich nie ganz reinbewegt. Eiskalte und harte Drums (aus dem schon benannten Roland-Synth) werden immer wieder von Arpeggiatoren umspielt und durch Sprachsamples-Einwürfe in den Wahnsinn getrieben. Wer sich hier nicht festhält, der wird weggetrieben. Inga Mauer macht halt nicht nur »bumm-bumm-bumm-bumm« auch wenn 4/4 angesagt ist. Eher lotet »shtum012« die Bewegung zu härteren Dancefloors aus und schaut, wo Tool-Techno anfängt und Industrial-Kracher aufhört. Damit schlägt sie in eine ähnliche Kerbe wie die Produzentinnen Helena Hauff, Lena Willikens und Avalon Emerson; was natürlich besonders erfreulich ist, dass in dieser (Vorsicht Trigger!) Szene ein besonders hoher Anteil weiblicher Künstlerinnen zu finden ist. Ob man das hört, sei dahingestellt – soweit wollen wir eben nicht in zugeschriebenen Geschlechter-Differenzen kramen. I-F und die alten Jungs wird es sicherlich nicht stören im niederländischen Regierungssitz.
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Shtum 012