Review

Iannis Xenakis

Electroacoustic Works

Karlrecords • 2022

Reissue des Jahres 2022

100 Jahre Iannis Xenakis. Das verlangt nach ganz großem Auftritt, gehört der in Rumänien geborene griechische, von 1965 an französische Komponist doch zu den eigenwilligsten Konstrukteuren des Klangs der Nachkriegsmoderne. Der studierte Ingenieur, der auch als Architekt arbeitete, wurde mit seinen mathematisch inspirierten Verfahren zum markanten Solitär, dessen »stochastische Musik« im Gegensatz zu ihrem zerebralen Ursprung weit viszeraler und gewaltiger klang als vieles, was die Avantgarde-Vertreter des Serialismus nach nicht minder aufwendigen methodischen Verfahren hervorbrachten. Als früh enttäuschter Kommunist trat er an, den »neuen Menschen« durch seine Musik erschaffen zu helfen. Gelungen ist ihm jedenfalls das Erschaffen eines Klangkosmos, der auf anziehende Weise fremdartig wirkt und über die akademischen Musikkreise hinaus bis heute Künstler anregt. Das Label Karlrecords feiert Xenakis jetzt mit einer Box, die seine elektroakustischen Werke versammelt. Enthalten sind frühe Arbeiten aus den Fünfzigern ebenso wie die umfangreichen Multimediawerke »Persepolis« (1972) und »La Légende d’Eer« (1978), alle neu abgemischt und gemastert. Mit seinem »theoretischen« Ansatz wurde Xenakis konsequenterweise obendrein zum Pionier der Computermusik. So gehen Klangerzeugungsverfahren wie die Granularsynthese, die mit elementaren Klangpartikeln arbeitet, auf Arbeiten von ihm aus den späten Fünfzigern zurück. Was er seinerzeit mühsam mit Tonbändern realisieren musste, konnte erst nach Jahrzehnten von Rechnern geleistet werden. In seinen späten Werken aus den Achtzigern ist die Klangsynthese dann auf eine abstrakte, zugleich körperlich schroffe Weise entfesselt. Bring the noise!