Review Rock

Huntsmen

The Dry Land

Prosthetic • 2024

Die Frühphase der US-amerikanischen Geschichte war, trotz allem, eine Zeit der Emanzipation. In der Historie des Westens gab es zu keinem vorhergehenden Zeitpunkt einen vergleichbaren Bruch mit der Ständegesellschaft. Damit entstand eine neue Herausforderung: Elemente zusammenhalten, die keine gemeinsame Vergangenheit verbindet. Diese Herkules-Aufgabe mimen Huntsmen auf ihrem dritten Album. »The Dry Land« macht nicht nur poetische Anleihen an die Epoche von Thoreau, Whitman und Emily Dickinson. Vor allem ist es musikalisch so heterogen wie die amerikanische Kultur in ihrer Frühphase. »The Dry Land« ist Americana, Doom Metal, Post-Rock, Blackgaze und Folk in explosiver Mischung. So beginnt »In Time, All Things« mit einem Black-Metal-Crescendo. Es geht in eine Folk-Akustik-Melodie über. Die sanfte Stimme von Sängerin Aimee Bueno-Knipe schwebt darüber. Ein männlicher Sänger stimmt gleichzeitig mit Doom-Riffs ein. Langsamer Aufbau. Es folgt eine Strophe in Prog-Manier, Bridge, gutturale Screams, Hardcore-Riffs – bevor sich alles gekonnt in dem donnernden Anfangsmotiv entlädt. Auf dem Papier sollte nichts davon funktionieren. Doch mit geschickten Songwriting und thematischer Schärfe haben Huntsmen ein Prachtexemplar mit erstaunlich viel Wiederspielwert erlegt. Als Versuch, neue Arten des Zusammengehörens zu schmieden, ist es ein Lehrstück in Demokratie. »The Dry Land« gehört, nach einenhalb Monaten Promo-Besitz, zu meinen bisher meistgehörten Alben des Jahres.