Man wundert sich ja heute über gar nichts mehr: Jürgen Klinsmann verabschiedet sich nach kurzer Zeit von der Hertha, die FDP fliegt tatsächlich aus dem Hamburger Senat und man braucht wohl keine Singles mehr um sein erstes Album rauszuhauen. So geschehen bei Houschyar. Bis dato gab es gerade mal drei Stücke zu hören: Einen auf dem Sampler »Elsewhere LVI« kuratiert von DJ soFa Einer auf der letzten Platte des Berliner Labels Rio (von Menqui und Benedikt Frey.) Der erste hingegen fand seinen Weg auf »Danzas Electricas Vol. 2« bei Macadam Mambo Auf dem von Sacha Mambo kuratierten Label kommt auch »Temmuz« raus. »Temmuz« ist türkisch und bedeutet »Juli«. Im Juli verschlug es den Carsten Nicolai-Studenten Houschyar nach Istanbul, wo das Album entstand. Aber was macht »Temmuz« so spektakulär? Houschyar schafft es auf seinem Debüt die Entwicklungen der letzten Jahre aufzugreifen, sie einzuschmeißen, durchzukauen und auszuspucken. So entsteht ein atemberaubend guter Mix aus Kraut-Einflüssen, Analog-Synth-Jams, aus (New) Wave, Psychedelika und Moog-Exotica. Damit fasst er selbst den Vibe der drei Compilations zusammen, die den Weg für diesen Sieben-Tracker bereiteten. Dazu ergänzt er die »orientalen« Einflüsse seiner zeitweiligen Heimat. »Escape« besteht aus 403 Sekunden wildester Abfahrt, durchgepeitscht von der Bass-Line, über Minuten hinweg mit immer neuen Drum-Settings. Das klingt vortrefflich, da alles seinen Platz hat, auch die Produktion (Mixing und Mastering) sind top-notch. »Faunus« treibt ordentlich, schiebt gleichsam punky daher und ist sowohl Peak-time-smasher wie lockerer Home-Listening-Genuss. Diese »trancey« Kontrapunkte: JUNGE, was geht da ab?! »Leguan« klingt auch nach dem zehnten Mal nach transsilvanischen Verwandten, die zum gemeinsamen Blutschlürfen einladen und dabei noch eine Line vom Obst-Taxi reinziehen. Klingt kalt, ist es aber nicht. »Temmuz« ist von der ersten Sekunde ziemlich warm, richtig schwül, dunstig, berauschend, eine gemütliche Decke und Milch mit Honig.
Temmuz