Ambient, was heißt das eigentlich? Zurück geht der Begriff, den Brian Eno 1978 zum Namen eines neuen und dezidiert hintergründigen Genres machte, auf das Lateinische »ambire« – herumgehen, umgeben, umschließen. Die Semantik verschob sich dezent, als das Worte Ambiente synonym zu Umgebung oder Milieu wurde. Robert Bird und Geir Jenssen alias The Higher Intelligence Agency, kurz Hia, und Biosphere allerdings vereinten 1995 die nur hauchdünn getrennten etymologischen Bedeutungsebenen des Worts Ambient, als sie im Rahmen einer Auftragsarbeit durch die Umgebung von Jenssens norwegischer Heimat Tromsø streiften, Klänge einsammelten und ins Zentrum zurück kehrten, um dort drei Konzerte auf Basis dieser found sounds oder besser sought sounds zu spielen. Das 1996 veröffentlichte Album »Polar Sequences« ist das Resultat dieses Projekts und zeichnet zwar die um Tromsø herumgehende Umgebung genauso ab wie die durch sie laufenden Sounds, ist aber nicht als Ambient im Sinne des Genres zu verstehen, wie Jenssen allgemein seine Musik nicht als Umgebungssoundtrack verstanden haben wollte. »Ich hasse es, wenn die Leute meine Musik als Klangkulisse verwenden«, sagte er David Toop gegenüber in dessen ebenfalls 1995 erschienenem Buch »Ocean of Sound«. Tatsächlich ist »Polar Sequences« keine diese Platten, die im Hintergrund plätschern dürfen, sondern bisweilen – wie beim fast neuneinhalbminütigen Schlusstrack »Meltwater« – das Plätschern in den Vordergrund montieren. Bird und Jenssen leisten zwar im Verlaufe des gesamten, fast einstündigen Albums jede Menge Abstraktionsarbeit und lassen auch mal dumpfen Techno erklingen, sie reduzieren aber die alltäglichen und außergewöhnlichen, die artifiziellen und natürlichen Klangphänomene Tromsøs nie auf eine reine Funktionalität. Stattdessen schleichen diese mal abstrakten, mal sehr körperlichen Soundverläufe durch den Mix, der unbedingt zum Hinhören zwängt. Keine hinergründige Musik zum Abschalten, sondern eine zum Eintauchen.
Polar Sequences (Remastered)