Helge Schneider ist ein Phänomen mit teils ebenso phänomenal nervigem Gefolge. Der nonkonforme Musiker, der dem deutschen Humor mit Kinofilmen, Bühnenprogrammen, Büchern und in ihrer Konsequenz radikalen wie liebenswürdigen Kapriolen seine Doppelbödigkeit und vor allem seinen guten Geschmack zurückgab, verfügt über Fans, die ihn bis aufs Messer bzw. bis zur letzten Schmähung in der YouTube-Kommentarspalte erbittert verteidigen; Moderatorinnen hätten ohnehin nicht das Zeug, dem Mülheimer das Wasser zu reichen, jedes Format, in dem Schneider auftritt, sei eine Beleidigung für ihn, seine Genialität erschließe sich eben nicht jedem. Für diese bedingungslose Loyalität hat der selbst ganz uneitle und bescheidene Helge Schneider, der, es wurde hier bereits erwähnt, immer noch zuvorderst Musiker ist, selbst gesorgt. Besonders in Krisenzeiten wenden sich seine Fans an ihn, um den Alltag zu vergessen. Während der Pandemie zeigt sich Helge Schneider der zwischendurch bereits erwog, gar nicht mehr aufzutreten, gnädig und beschenkt seine Anhängerinnen mit einem neuen Album. »Mama« heißt es, und hat mit Heintje-Coverversionen glücklicherweise wenig zu tun. In kompletter Eigenregie komponierte und aufgenommene jazzige Chansons des Multiinstrumentalisten enthält es, wie gewohnt gespickt mit scheinbar willkürlichen, schlichtweg faszinierenden und extrem komischen Textzeilen. Der Vorab-Smasher »Ich setz mein Herz bei E-Bay rein« kommt mit etwas altbackener Technologiekritik daher, »Mama« entwickelt sich von der ansatzweise ernsten quasi-biographischen Nummer unaufhaltsam in Richtung Dada, »forever at home« kanalisiert Isolations-Trübsal auf charismatischste Weise, »Der Boss« verhandelt Kapitalismuskritik und Working-Class-Mentalität auf unnachahmlich charmant. Gewohnt unfehlbare musikalische Ergüsse.
Mama