1932 veröffentlichte der belgische Krimi-Autor Georges Simenon seinen Roman »Le passager du ›Polarlys‹« (dt. »Der Passagier der Polarlys«). Es ist ein klassisches Whodunnit: Ein Dampfer ist von Hamburg nach Norwegen unterwegs. Auf hoher See findet man eine Leiche. Der Kapitän muss den Mord aufklären. Nun hat Heinrich Dressel einen Soundtrack für eine fiktive Verfilmung dieses Romans komponiert. Sein unverhohlener Referenzpunkt sind Angelo Badalamentis Arrangements für »Twin Peaks«. Wie Badalamenti greift Dressel auf unheilschwangere Drones zurück, um eine abstrakte Bedrohung zu evozieren. Bereits der Opener »The Evil Eye« ist das maritime Gegenstück zum Wald-Thema von »Twin Peaks«. Meisterhaft verlieh Badalamenti jenem undurchsichtigen Bösen, das der titelgebenden Kleinstadt innewohnt, in den Bäumen Washingtons Ausdruck. Dressel bereitet dem 2022 verstorbenen Komponisten alle Ehre: »Polarlys« gelingt es durchwegs, Bilder einer gespenstischen See und un-heimlicher Fjorde hervorzurufen. Sogar Dressels Sound-Design erinnert an »Twin Peaks«: Er greift auf Analog-Synthesizer zurück, die in den 1990ern populär waren. Innovativ ist »Polarlys« nicht. Es macht eine Sache – doch die macht es verdammt gut. Als ich Dressels Kompositionen mit dem Soundtrack der 2017er-Staffel von »Twin Peaks« verglichen habe, habe ich wiederholt vergessen, welches Album ich gerade laufen hatte. Vielleicht spricht nichts mehr für eine Krimi-Soundtrack, als wenn man beim Hören raten kann: whodunnit?
Polarlys