Zwei Sekunden Stille, dann zwei Töne und »Esja« entfaltet sich: In kristalliner Schönheit steigen die Melodien, stets sanft angeschlagen, aus dem Piano, ziehen dahin in einer tiefen Nacht, in der alles still und starr während dieser Musik verharrt. Die polnische Musikerin Hania Rani nahm die Stücke dieses Album zum Teil in ihrer Warschauer Wohnung auf – und zum anderen Teil im Studio ihres Freundes Bergur Þórisson in Reykjavik, womit sich erklärt, welche Arbeitsatmosphäre Ranis Solo-Debüt beeinflusste. Und ja, dieses Album erinnert an die modernen Kompositionen aus Island wie die von Ólafur Arnalds aber Hania Rani ist als Künstlerin mehr als nur eine Referenz: Ihr kreiselndes Klavierspiel erschafft hier diese zehn einmaligen und wunderschönen Stücke, die sich zu einem unvergänglichen Album verbinden. Jeder Ton dieses Albums verlangsamt die Zeit, was auch an Ranis beeindruckendem Gespür für Stille liegt. »Esja« drängt sich nicht auf und ist trotzdem da, versinkt nicht im Hintergrundrauschen des Alltags. Trotzdem gehört dieses Album zu jenen Platten, die sich erst in der kompletten Dunkelheit erschließen, wenn alle anderen Sinne keine Reize mehr melden. Der Titeltrank funkelt dann wild, »Biesy« fällt in all seiner Schönheit langsam auseinander und »Sun« geht als bebender Stern in diesem Sound auf. Hania Rani hat mit »Esja« ein Werk geschaffen, das aufgrund seiner Anmut so aus jeder Zeit fällt. (Weshalb es auch vollkommen egal ist, dass dieses Album schon vor drei Jahren in der ersten Auflage erschienen ist.) Es ist keine Entschleunigungsmusik, kein Ambient in dem Sinne, dass sich diese Töne in die Umgebung fügen. »Esja« ist wie ein Schneesturm, der einen von der vollkommen überreizten Welt abschneidet. Dann blüht dazwischen das Ungewisse. Und wie Hania Rani dies in zehn Stücken festhielt, ist ein nie endender Winternachtstraum.
Esja