Das Geheimnis von Guido Möbius ist vielleicht, dass er selbst keine Ahnung hat, was er da eigentlich macht. Regelmäßig sind seine Alben abgedrehter, unwägbarer als so etwa alles, was er in seinem Verlag betreut. In Musik ist meist ja doch eine übergreifende Ordnung auszumachen, konspirieren die einzelnen Elemente. Hier laufen schon zu Anfang Spuren in einem irrationalen Zeitverhältnis los, mit einer Selbstverständlichkeit, als seien Nancarrows Experimente längst Barbeschallungs-Standard. Knarzende, verdrehte Bassfiguren, zuckende und schabende Industrie-Percussion, hypnotische Analogsequenzen, Strobo-Gating und jaulender Satelliten-Kosmos und Zerr-Mbira und ganz seltsame Vocals: Sie alle bilden keinen undurchdringlichen Dschungel, sondern ein wohlgesetztes Geflecht von ausgesucht stachligen Parts. Und bei aller Seltsamkeit: es bleibt irgendwie doch Pop. Kein Schaumbad zwar, aber auch keine Referenzhölle. Eher automatisches Schreiben, gern unterschätzte Grundbedingung dafür, dass es rockt. Und hier rockt es eben die guten Kanten entlang, die Pforten der Wahrnehmung weit offen. Verwirrende Stimmungsschichtungen, die unauflösbare, aber doch irgendwie einvernehmliche Vielstimmigkeit war von Anfang an sein Ding. Das kann man als Kommentar lesen, muss man bei ihm aber nicht: Musikalische Entdeckerlust sticht hier immer noch Zeitkritik. Das Graubunt der Späne, die hier fallen, wenn Don Van Vliet das Grüne Winkelkanu reitet, schmeckt nicht so düster, wie es serviert wird, es fächert sich auf, man richtet sich in seiner Nervosität ein. Lass die doch schreien. Wer solche Gäste hat, braucht keine Polizei. Da taumelt sich durch den E-Bass-Spiegelgarten Andreas Gogol als gärfruchtbeschwipster Max Turner, dann wedelt Möbius als Kubin+Burnette fraktale Schatten auf den Vibra-Gamelan von Eric Mandel. Zwischendrin entschweben Moondog und Eno in einer Barke, die Andi Ottos Cello den Ganges hinaufrudert, und spätestens da ist man im Lot.
Batagur Baska