Man muss es Gui Boratto hoch anrechnen! 2007 hatte er mit »Beautiful Life« den Hit im Bereich elektronische Musik; noch heute spielen einige DJs diesen Song, genau wie modebewusste Studentinnen dazu mit ihrer BFF für die MacBook-Photobooth posieren. Ein Konsens-Hit, der aber zu gut produziert ist, um ihn peinlich finden zu können. Boratto hätte einfach darauf aufbauen können. Hat er aber nicht. Sein letztes Album »III« wummerte ungewöhnlich düster durch den Gehörgang. Mit seiner neuen 12inch schielt er wieder mehr in Richtung Pop: Weiblichen Vocals singen davon, dass es zu spät sei (für was auch immer), der leicht zugängliche Tech-House-Beat mit warmem Subbass und ein bisschen Gitarre behauptet etwas anderes. Die A-Seite, »We Can Go«, könnte thematisch eine Techno-Hymne für den Gezi-Park sein, oder aber in die Nein-Mann-Ich-Will-Noch-Ein-Bisschen-Tanzen-Kerbe schlagen (»We choose to stay, we stay together«). Darunter ein Techno-Beat, wie er das Publikum jeder Kompakt-Party anno 2008 in einen Rauschzustand ballerte. Die ganze Platte klingt grundsolide und aalglatt. Die Songs sind Sklaven ihres eigenes Gerüstes, das sie nie verlassen. So bleibt das stoischer Tech-House, der sich um sich selbst windet, anstatt sich aus seiner Hülle zu steigern, bis er die Tanzfläche transzendiert. Das war auf »Beautiful Life« anders und deshalb fordere ich das erste Mal in meinem Leben, der Produzent möge sich auf seinem nächsten Release doch an seinem größten Hit orientieren.
Too Late