Heimat ist so eines von diesen Worten, das die Fingernägel zum Hochrollen bringt. Heimatlieder umso mehr, insbesondere in Deutschland. Mal ehrlich: Von norddeutschen Shantys hin zum krachledernden Bierzeltsoundtrack hat die hiesige Kultur eher selten Brauchbares geliefert. Die Compilation »Heimatlieder aus Deutschland Berlin/Augsburg« auf Run United überraschte allerdings mit Musik, die eigentlich gar nicht überraschen sollte: Gnawa-Sounds, kroatische Männerchöre und Fado waren darauf zu hören. Mit der von Girisha Fernando und Bernard Kühling produzierten Sammlung klang in Deutschlands Liedgut plötzlich ein schönes Versprechen mit: Wir alle zusammen bieten hier mehr als Matjes und Weißwurscht. Die kulturelle Mischung wurde zum Remixmaterial, es folgten mit »New German Ethnic Music« elektronische Neuinterpretationen des Projekts. Gudrun Guts »Vogelmixe« greifen acht der Originalstücke erneut auf und setzen sie in den globalisierenden oder zumindest ortlosen Kontext von experimenteller Elektronik. Das ist auf seine Art schon wieder heikel: Fängt da nicht die Plünderung an? Gut aber begeht ab ihrer housigen Neuinterpretationen des Openers, einem alevitischen Volkslied, eben nicht den wohlmeinende Fehler, ihr Ausgangsmaterial für exotisierende World Music auszuschlachten. Indem sie in ihren Remixen einen Fokus auf die Vocals legt, überlässt sie das Wort den beteiligten KünstlerInnen buchstäblich selbst. Sie überschreibt die Tracks nicht, sondern schafft vielmehr behutsam Verbindungslinien zwischen ihnen. So ein marokkanisches Gnawa-Stück ist eben schon sehr nah dran an trancigem Acid und kann umso besser mit kubanischen Rhythmen harmonisieren, wenn diese durch die dezenten Beats Guts auf eine Schnur gereiht werden. Es wäre trotzdem unsinnig, von Völkerverständigung zu sprechen. Gut übt sich nicht an kulturästhetischer Gleichmacherei, sondern der Verknüpfung von Unterschieden. Wenn das gesamtgesellschaftlich nur ansatzweise so gut gelänge wie auf »Vogelmixe«, könnten wir alle wieder beruhigt das Wort Heimat in den Mund nehmen – oder es noch besser komplett vergessen.
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