Manche Anfänge von Künstlern bleiben für die Nachwelt im Verborgenen, vollständig oder zumindest eine lange Zeit. Bei der brasilianischen Jazzformation Grupo Um dauerte es fast 50 Jahre, bis ihr Debütalbum »Starting Point« erscheinen konnte. Die Brüder Lelo und Zé Eduardo Nazario, Ersterer Pianist, Letzterer Schlagzeuger, taten sich 1975 mit dem Bassisten Zeca Assumpção zusammen und machten gemeinsam Undergroundmusik. Wörtlich, weil sie in einem Keller spielten, aber auch im übertragenen Sinn, denn ihre Art Musik passte nicht zur ästhetischen Doktrin in der Diktatur. Beim Klangschamanen Hermeto Pascoal hatten sie sich zuvor schon in dessen Band ihre Meriten verdient, jetzt erkundeten sie auf eigene Faust den Raum, der sich ihnen mit ihrem Vokabular aus Jazz, von Free bis Fusion, und afrobrasilianischen Rhythmen öffnete. Die Töne eines Berimbau treffen auf Fender Rhodes-Akkorde, Prepared Piano, selbstgebaute Perkussion und einen entschiedenen Umgang mit dem Studio als Versuchslabor. Passagen, bei denen sich die Frequenzen der Instrumente schwer zuordnen lassen, wechseln mit harmonisch Entspanntem und freidrehenden Dissonanzen. Wirkt so, als gehöre alles irgendwo hin, ohne dass man zwangsläufig beim Hören die Ordnung erkennt. In 26 Minuten steckt das Trio beachtlich viel Terrain ab. Zum Glück haben sie die seinerzeit von verschiedenen Labels abgelehnten Bänder aufbewahrt – und irgendwann wieder hervorgeholt.
Starting Point