Review

Grouper

A I A: Dream Loss | A I A: Alien Observer

Kranky • 2019

Sollte es so etwas wie einen Preis für die unwahrscheinlichste Karriere des 21. Jahrhunderts geben, Liz Harris hätte gute Chancen auf ihn. Die Story ist ungefähr die: Eine Esoterikerin aus dem notorischen Hipster-Epizentrum Portland in Oregon bringt sich mit ihrer Gitarre, ein bisschen Klavier, viel Hallraum und noch mehr weißem Rauschen in einen Dialog mit sich selbst, am Ergebnis haftet ein strenger Patschuligeruch und die Welt ist hin und weg von dieser ebenso filigranen wie unheimlichen Musik. Seit ihrem Debüt im Jahr 2005 wurde Harris oft kopiert und nie erreicht, weshalb selbst Reissues ihres mittlerweile beachtlichen Werks als Grouper schon fast wieder als Updates des von ihr losgetretenen Subsubgenres des Drone-Folk-Pops gelten könnten. Der im Jahr 2011 von ihr auf ihrem Imprint Yellow Electric veröffentlichte Doppelpack »A I A: Dream Loss« und »A I A: Alien Observer« liefert als Neuauflage den erneuten Beweis, dass allerhöchstens Grouper es mit Grouper aufnehmen kann. Zusammengenommen sind die beiden wie auch immer zusammenhängenden Alben Etüden in der Kunst des Verschwindens, einer Arbeit an Auflösungserscheinungen, wie sie gut ein Jahrzehnt zuvor William Basinski mit den »Disintegration Loops« in großen Gesten aufgeführt hatte und die Harris auf knapp 80 Minuten Gesamtlänge in handlichere und doch nicht minder ergreifende Formate überführt. Das »A I A«-Diptychon überschüttet noch einigermaßen konventionelles Songwriting und die eine oder andere eingängige Melodieführung mit so viel gewolltem und akzidentalem Klang, dass das Endergebnis zu einem großen, elegischen Rauschen gerät. Die Technologie des vorigen Jahrhunderts liefert mit ihrer Fehlbarkeit und ihren Idiosynkrasien die Soundsignatur des folgenden. Der Mensch verliert sich im Sound, im Raum, in den Überbleibseln vergangener Tage. Gibt es einen böseren, schöneren Kommentar auf die große Ermüdung im digitalen Dauerfauer, die um diese Zeit etwa Mark Fisher, Simon Reynolds oder Douglas Rushkoff auf Buchlänge analysierten? Vermutlich kaum. Grouper reihte sich implizit in diese Bestandsaufnahmen ein und bot zugleich ein Refugium aus knisternden Klangwolken, die selbst 2019 noch nichts an ihrer Dichte, Wärme, Dunkelheit, soll heißen ihrer ganzen obskuren Strahlkraft verloren haben. Rundum unwahrscheinliche Musik, die von den schweren Träumen des 21. Jahrhunderts erzählt.