Sich nach einer der familienfreundlichsten Hunderassen Golden Retriever zu benennen, lässt irgendwie auf gediegenem Folk schließen; der Albumtitel »Seer« wurde erst 2012 von Swans verwendet. – Beide Assoziationen führen in die Irre. Jonathan Sielaff und Matt Carlson liefern nämlich organisch pulsierende, modulare Synthieloops verwoben mit den Klängen einer präparierten Bassklarinette. Die fünf Tracks sind sehr fokussiert und dennoch abgespact, an Krautrock-Experimenten geschult, entfernt auch an die 1970er-Synth-Sax-Improvisationen von David Bowie und Brian Eno erinnernd und durchaus Soundtrack-tauglich. Trotz der Länge der einzelnen Tracks klingen sie kompakt und weder überfrachtet noch redundant. Man hört also, dass die ursprünglich jeweils halbstündigen Jams auf 6 bis 13 Minuten hinuntereditiert wurden ohne den Trackaufbau und seine Dynamik zu zerstören. Im letzten Stückes »Superposition« setzt doch noch ein sanfter Beat ein, ansonsten kommt »Seer« von Golden Retriever komplett ohne perkussive Elemente aus. Nur die Loops strukturieren die Zeit und aufgeregtes Vogelgezwitscher oder Kirchenglocken erden die außerweltlichen Sphärenklänge. Einen ähnlichen Schwebezustand löst das Gehörte auch auf emotionaler Ebene aus: Erhebend und gleichzeitig doch etwas beunruhigend. Als musikalische Untermalung der nächsten Mars-Expedition gefilmt von David Lynch wäre »Seer« perfekt.
Seer