Review Jazz World Music

Ganavya

Daughter Of A Temple

Leiter • 2024

Schon die ersten Sekunden des dritten Albums der New Yorkerin Ganavya Doraiswamy lassen erahnen, in welche Richtung die zehn Stücke gehen. In »Love Chant« singt Doraiswamy im Duett mit Jazz-Superstar Esperanza Spalding »A Love Supreme« – jenes Stück, das nicht wenige als das Meisterwerk in der an Höhepunkten nicht armen Karriere des Saxofonisten John Coltrane bezeichnen. Während Coltrane 1965 von Gott und seiner (oder ihrer) Liebe sang – und darin die Wut und den Schmerz der Bürgerrechtsbewegung zum Ausdruck brachte -, geht es 2024 um Heilung und Linderung, um den Ausgleich mit der eigenen Seelenwelt. Es ist aber nicht nur eine Hommage an John, sondern es gibt auch direkte Bezüge zur Geschichte und zu den Kompositionen »Om Supreme« und »Journey In Satchidananda« der großartigen Alice Coltrane (später Swami Satchidananda).

Ganavya, in New York geboren, aber in Tamil Nadu, Indien, aufgewachsen, setzt damit den vom brahmanischen Yogismus beeinflussten Weg der Coltranes fort. Gegenüber den mitunter plärrenden Versionen aus Swaminis Devotional-Phase (in den letzten Jahren wiederentdeckt und auf »The Ecstatic Music Of …« zu hören) wirkt Ganavyas Entwurf feingliedrig, elegant und innerlich, erinnert eher an die sanften Post-Bop-Zeiten der frühen Siebziger. Passend dazu tritt mit Shabaka Hutchings der »neue Pharoah Sanders« auf, was wiederum beweist, dass Daughter of A Temple vor allem auf musikalische Exzellenz abzielt und nicht bloß einen Selbsthilfekurs für den Plattenteller darstellt.