Die Wurzeln des Labels Portraits GRM gehen bis in die 1950er-Jahre zurück. Damals hat der Komponist Pierre Schaeffer in Paris die Groupe de Recherches Musicales gegründet, ein Institut zur Erforschung der elektroakustischen Musik. Die Split-LP von Flora Yin Wong und Sébastien Roux setzt diese Tradition fort. Sie enthält je ein seitenlanges Stück beider Künstler:innen. Flora Yin-Wong, Londonerin mit chinesischen und malaysischen Wurzeln, hat bisher zwei Alben mit Post-Genre-Nightmare-Pop auf Modern Love veröffentlicht. Für ihr »Trigram For Earth« taucht sie tief zum Grund der elektroakustischen Musik hinab. Es ist ein ständiger Fluss aus Klängen, Drones und Industrial-Geräuschen, inklusive spooky Atmosphären.
»50 Frequency And Amplitude Modulated Sine Waves Describing A Landscape« des französischen Komponisten Sébastien Roux liefert im Titel Herstellungsmodalitäten und gewünschte Wirkung gleich mit. Es ist zunächst das Gegenteil von Flora Yin-Wongs Beitrag. Roux lässt Algorithmen Meeresrauschen erzeugen, wobei er den artifiziellen Charakter seiner Musik immer in den Vordergrund stellt. Dann kippt das Stück in eine Abstraktion, die an die Arbeiten der Pioniere der elektronischen Musik in den 50er-Jahren erinnert. Am Schluss weisen Vogelgesänge wieder zurück zur Natur.