Im Herzen Beiruts scherzt eine junge Frau mit Altersgenoss:innen. Sie hat blonde Haare, trägt ein Designerkleid und arbeitet in einem belebten Tonstudio. Ein modischer Gentleman, gespielt von Farid El Atrache, entlockt einer Oud melancholische Töne. Der ägyptisch-libanesische Film »Nagham Fi Hayati« wirkt heute wie der verblasste Traum eines panarabischen Liberalismus. Sein Soundtrack wird nun zum ersten Mal seit fast 50 Jahren wiederveröffentlicht. Okzidentale Formen und arabische Musik fließen hier ineinander. Klanglicher Kern des Ganzen ist ein Big-Band-Orchester westlicher Prägung. Aber Klavier, Geigen und Akkordeon schlagen orientalische Töne an. Unterstützt von Taqsim-Percussion umrahmt die sehnsuchtsvolle Stimme des als »trauriger Sänger« bekannten El Atraches das Arrangement. Schelmisch verwischt er die Grenzen zwischen Tanzabend und Trauer. Nach drei Serenaden beschließt der »König der Oud« den Abend mit einem ebenso weitschweifigen wie virtuosen Instrumentalsolo. Mit »Nagham Fi Hayati« hat er ein elektrisierendes Zwitterwesen geschaffen, dessen innere Spannung ungebrochen ist. Aus heutiger Sicht hätten die durchweg sieben- bis zehnminütigen Stücke wohl Kürzungen vertragen können. Ihr Reiz liegt aber auch darin, dass sie wie aus der Zeit gefallen wirken. Als Dokument vergangener Sehnsüchte lässt »Nagham Fi Hayati« erahnen, dass die gegenwärtige Misere im Nahen Osten nie alternativlos war.
Nagham Fi Hayati