Südafrika ist ein Land mit zwei Gesichtern. Während breite, geteerte Straßen und hochgezogene Gebäude in den Städten wirtschaftlichen Fortschritt und Gentrifizierung symbolisieren, wohnt die Mehrheit der schwarzen Bevölkerung auch nach dem Ende der Apartheid immer noch in improvisatorisch errichteten Hütten auf dem roten Erdboden des Umlands. Inmitten dieser Gegensätze ist die Streetart Künstlerin Faith47 aufgewachsen. Inspiriert von Politik, Gesellschaft und der Vielfalt der südafrikanischen Menschen, interagiert sie mit der Spraydose zwischen den Kontrasten ihrer Umwelt und verarbeitet sie spielerisch in ihrer Kunst. Wie sinnliche Poesie bannt Faith ihre kalligrafischen Kunstwerke auf verlassene Fabrikgebäude, ausrangierte Züge und verrostete Autos. Ihre Charaktere, die eine tragische und oftmals sakrale Anziehungskraft in ihrer Aura haben, bettet Faith in die scheinbare Leere des Raumes ein und kreiert damit ein völlig neues Szenario von Ghetto-Romantik.
On the Run widmet der südafrikanischen First Lady in Sachen Graffiti eine eigene Ausgabe, in der die Kapstädter Künstlerin durch ihre verschiedenen Projekte porträtiert wird. Von den verwahrlosten Ecken in Kapstadts früherem Industrieviertel Woodstock über verstaubte Seitenstraßen in den Townships von Johannesburg bis hin zu innerstädtischen Alleen – Faith47 hat ihre soziale Umgebung mit abstrakten Schriftzügen verziert und kommentiert. Mit aufgesprühten Schlagworten und der gestalterischen Metaphorik einer Traumwelt transportiert die Autodidaktin gesellschaftskritische Nuancen. Ganze Auszüge an politischen Forderungen zitiert Faith hingegen in ihren Arbeiten, bei denen sie sich der südafrikanischen Freiheitscharta von 1955 angenommen hat und die nun wie ein emotionales Echo der Apartheidsgegner von den runtergekommenen Wänden erklingen. Ob politisch oder gesellschaftskritisch, eines versinnbildlichen die strahlenden Buchstaben die aus dem städtischen Zerfall herausschimmern am Ende zumindest ganz deutlich: Hoffnung.