Europa ist im 20. Jahrhundert nicht groß als Kontinent der Minimal Music aufgefallen. Das war schon eher Sache der USA, auch wenn die Inspirationen oft im alten Europa zu finden waren, bis zurück ins Mittelalter. Peronin etwa war mit seinen repetitiven Frühformen der Polyphonie wichtig für Steve Reich. Ein paar Beispiele für Minimal Music gab es hier auf dem Kontinent gleichwohl, allen voran Michael Nyman. Der niederländische Komponist Simeon ten Holt wiederum absolvierte zunächst eine typische Nachkriegsavantgardekarriere mit seriellen Techniken und so. Sein 1979 vollendeter »Canto ostinato«, für vier Klaviere geschrieben, arbeitet jedoch selbstbewusst mit Harmonien und sehr vielen Wiederholungen, was durchaus an Kollegen wie Terry Riley (»In C«) oder Steve Reich (»Four Pianos«) denken lässt. Sein Ostinato, die durchlaufende Bassfigur, geht dabei auf ältere Traditionen zurück, siehe Peronin. Man könnte auch an Renaissancestücke wie Claudio Monteverdis »Lamento della ninfa« denken. Der US-amerikanische Musiker Erik Hall hat sich den »Canto ostinato« jetzt neu vorgenommen, mit drei unterschiedlichen Tasteninstrumenten im Einsatz. Neben einem Konzertflügel verwendet er ein Fender Rhodes und eine Hammondorgel. So fließt die Musik, bei der sich die Melodien in ständiger Variation des Grundthemas fortspinnen, durch die beständigen Verschiebungen im Klang noch einmal dynamischer. Simeon ten Holt selbst sprach statt von »Minimal Music« übrigens von »genetic code«.
Canto Ostinato (Simeon Ten Holt)