Als 2010 das 7. Erdmöbel-Album »Krokus« zeitgleich mit dem Romandebüt ihres Sängers Markus Berges (»Ein langer Brief an September Nowak«) erschien und ein Jahr später der »Retrospektive«-CD dessen komplette Songlyrics beigelegt wurden, konnte man schon fragen, ob es mit dem Crossmarketing nicht auch dezenter gegangen wäre. Andererseits sind Berges‘ gesammelte Gedankensprünge und Fundstücke kurioser Alltagssprache gedruckt allemal ergiebiger als Thomas Meineckes FSK-Anthologie »Lob der Kybernetik«. Auch bei den elf neuen Erdmöbel-Stücken ist man gut beraten, das Booklet bei der Hand zu haben. Und doch erschließt sich in »Cardiff« die Geschichte eines verwaisten Brüderpaars (deren Mutter »zog sich durch den Filter schwarz das Bein«) dank der behutsamen Instrumentierung aus Querflöte, Plektrum-Bass und Akustikgitarren-Arpeggios bereits beim ersten Hören. Überhaupt die Arrangements! Die filigrane Art, wie der bandeigene Produzent Ekimas in »Vivian Maier« Flöten und Posaunen auf das Gedankenspiel reagieren lässt, welche Motive wohl die posthum berühmt gewordene Fotografin mit ihrer Rollei »in Kölle« und »im Erftkreis« eingefangen hätte, hebt ihn auf eine Stufe mit den besten seiner Generation: Bertrand Burgalat, Sean O’Hagan und die immer noch aktiven Nits. Doch so wie hier das rosa Artwork auf den handfesten Albumtitel (eine Hommage an Carl Douglas‘ Soul-Hit, wenn auch nur einen Klingelton lang) trifft, findet sich auf der neuen Erdmöbel auch Druckvolles, das, wie im deftigen Schlußtusch »Peng«, auf Costello und Lennon (»Ich nehm schon mal das Schieß-gewehr/Ihr kommt später hinterher«) verweist. Gleichwohl ist die Midtempo-Ballade »Jede Nacht« – eingespielt mit Falcos einstiger Duettpartnerin Désirée Nosbusch – der Hit der Platte.
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