Ein Rauschen, vielleicht Straßenlärm, Vogelgezwitscher – dann fließende Klavierakkorde, dahingetupfte Melodien. Und nach einer Weile erklingt eine Stimme, auf die vielleicht gar nicht wenige schon lange gewartet haben. Es ist die Stimme von Emahoy Tsege-Mariam Gebru. Auch sie bewegt sich ganz sacht durch die amharischen Skalen, als entstünden die Melodien eben erst in dem Moment, in dem sie aufgenommen wurden. Gebru ist eine legendäre Gestalt der äthiopischen Musik. Ihr Vater war Bürgermeister der Stadt Gondar, sie sang für Haile Selassie, studierte in der Schweiz und in Kairo, ging mit 21 Jahren für zehn Jahre in ein Kloster und begann danach zu komponieren. 1984 floh sie nach Jerusalem, wo sie bis zu ihrem Tod im vergangenen Jahr lebte. In diesem Jahr wäre sie hundert Jahre alt geworden. »Souvenirs« ist ein besonderes Vermächtnis, denn auf keinem ihrer Alben war bisher ihre Stimme zu hören. Sie klingt unmittelbar, ungeschult, und das mag ein Grund gewesen sein, sie sozusagen unter Verschluss zu halten. Die Aufnahmen zu »Souvenirs« entstanden Ende der 1970er-Jahre im Haus der Familie in Addis Abeba. Kaiser Haile Selassie war gestürzt worden, eine Militärjunta hatte die Macht im Staat übernommen. Schon an Titeln wie »Is It Sunny Or Cloudy In The Land You Live?«, »Ready To Leave« und »Don’t Forget Your Country« lässt sich die Wehmut über den schon damals empfundenen Verlust der Heimat ablesen. Mehr noch als in der zu Lebzeiten veröffentlichen Musik entsteht hier eine Intimität, als säße man direkt neben ihr auf der Klavierbank.
Souvenirs