Innovative Alben zu finden, ist leicht. Umso schwerer ist es, auf einzigartige zu stoßen. »Drunk in Love« ist letzteres. Sein klanglicher Nährboden sind Dance-Genres, die im letzten Jahrzehnt an Popularität gewonnen haben: Gqom, Grime und Trap. Doch Elvin Brandhi und Lord Spikeheart machen keine Clubmusik. Das Duo improvisiert, wählt nicht-lineare Songstrukturen und arhythmische Beats. Ihr dynamisches Sounddesign ist näher bei frühen Industrial-Aufnahmen als bei überproduzierten Tanznummern. Den ersten, verstörenden Alben von SPK ähnlich, zielt »Drunk in Love« darauf ab, zu desorientieren und zu befremden. Damit nicht genug: Lord Spikeheart ist Grindcore-Sänger. Seine Band Duma hat viel von diesem Album vorweggenommen. Doch sie lechzte nach Überwältigung ihrer Hörer:innen. »Drunk in Love« scheint selbst psychotisch. Spikehearts Screams umgarnen es wie Stacheldraht. Auf »666.6668« werden sie zerstückelt zum rhythmischen Counterpart von Kick-Drum-Blasts und einem House-Bass. Brandhi singt: »Looking for peace, looking for a dime, looking for happiness.« Die Suche ist vergeblich. »Drunk in Love« entwirft ein lebensfeindliches Universum, in dem nur die eigene Vernichtung berauscht. Nicht alle werden sich mit Elvin Brandhi und Lord Spikeheart in Scherben wälzen wollen. Ich bin mir ehrlicherweise nicht sicher, ob ich daran Gefallen finde. Unwohlsein tut masochistischen Reiz außer-ordentlicher künstlerischer Visionen jedoch keinen Abbruch. Annäherung auf eigene Gefahr!
Drunken Love