Alles wieder offen: Seit Jahren stand die Frage im Raum, ob es mit den Einstürzenden Neubauten weitergehen würde. Jene Neubauten, die einst in den Achtzigerjahren die Musik revolutionierten und für einen kurzen Moment der Geschichte eine der wohl bekanntesten deutschen Bands der Welt war. Doch Krach und Industrial sind schon seit der Jahrtausendwende vorbei. Seitdem machten die Neubauten, was sie wollten. Und das war ein Sound irgendwo zwischen Kunst, Theater und Weltuntergang. Nur vor allem Blixa Bargeld und Alexander Hacke schienen sich in den letzten Jahren vornehmlich anderen Projekten zu widmen und das letzte Lebenszeichen der Neubauten mit Namen »Lament« ließ die meisten Hörer eher ratlos zurück. Was nun? Die Antwort: »Alles in allem«, das je nach Genauigkeit der Zählung wohl zwölfte Album der Berliner. Zugänglicher gab sich die Band noch nie, selbst wenn in »Zivilisatorisches Missgeschick« der frühe Industrialsound voll durchschlägt und zwischenzeitlich den kompletten Song mit sich reißt. Doch die ruhigen Momente beherrschen dieses Album, die tiefe Stimme von Blixa Bargeld, die hier über Berlin und das Leben singt und erzählt, während sich in der Musik ständig alles bewegt und wandelt, nichts an seinem Platz bleibt. Zugänglich bedeutet hier eben immer noch nicht einfach. Denn »Alles in allem« fordert und giert nach Aufmerksamkeit, nach Detailversessenheit beim Hören. Die hypnotischen Momente wie etwa auf »Silence Is Sexy« finden sich hier so gut wie gar nicht mehr. »Wedding« und »Grazer Damm« deuten ihren Sog zwar kurz an, doch dann nehmen die Songs doch andere Wendungen, zeigen Wege und Linien, deren Ende sich nicht vorhersehen lässt. Dieses Album folgt eben seinen eigenen Ideen. Etwa der Harfe in »Tempelhof«. Alles fühlt sich hier nicht wie ein Ende einer Karriere an, sondern wie eine erneute Metamorphose. Was da noch kommen mag? Wie es Blixa Bargeld singt: »Wir hatten tausend Ideen – und alle waren gut.« Das wird hoffentlich noch für ein paar Platten so bleiben.
Alles In Allem