Review Rock

Die Sterne

Flucht In Die Flucht

Staatsakt • 2014

Die »24/7-Disco« ist geschlossen. Die Sterne machen wieder jenen schlaksigen Gitarrenpop, den man auf ihrem 2009er Elektro-Befreiungsschlag zwar nicht vermisst, aber immerhin vergebens gesucht hatte. »Ist es unmöglich sich zu befreien?«, intoniert Frank Spilker passenderweise auf »Wo Soll Ich Hingehen«, dem Opener der neuen LP. Nach sagenhaften 22 Jahren (!) Bandgeschichte stellen die Hamburger auf ihrer zehnten Platte immer noch jene Fragen, deren weltmännische wie schier gelangweilte Skepsis wohl möglich jedem introvertierten Großstadtneurotiker geläufig sind. Hallende Prog-Rock-Gitarren, slicke Funkgrooves, andächtige Americana-Klänge – die Referenzen an den Protest-Pop der 1960er sind in aller Verschrobenheit dieses Mal unüberhörbar. »Die Krähen bäumen auf den Hockern, das Licht wiegt Tonnen« – es geht um das Große im Kleinen, Politik, Tanzen, Sonnenschirme und Gentrifizierung. Wenn dann auch noch Neubauten-Legende Alexander von Borsig in schnöder City-Slickers-Manier auf »Ihr wollt mich töten« vorbeireitet, führen alle Identifikationsflächen zwischen Tempelhofer Feld und den Hamburger Flaktürmen zu psychedelischen Route ins Ich. »Flucht In Die Flucht« ist widersprüchlich, manchmal verwirrend, aber durchweg mitreißend und gelungen. Wie bei jedem Sterne-Album greifen Fans und Kritiker in gutgemeinter wie gehässiger Motivation gerne nach dem »Posen«-Vergleich – ihrem 1996er LP-Mammutwerk, das vermutlich für immer auf den vorderen Plätzen der Bestenlisten rangieren wird. Für »Flucht In Die Flucht« bedeutet das, immerhin noch mindestens das zweitbeste Sterne-Album überhaupt zu sein.