Review

Die Nerven

Die Nerven

Glitterhouse • 2022

Während Teile der Musikpresse und des Feuilletons seit Monaten und Jahren den Abgesang auf die Gitarrenmusik anstimmen, gibt es da dieses Trio aus Stuttgart, das dessen ungeachtet einfach schöne wie brachiale Alben zwischen Post-Punk, Noise und Indie vorlegt. Mit der fünften selbstbetitelten Platte machen Die Nerven es nicht anders: Angst und Wut bestimmen den Sound, bestimmen die Texte. Und müssen prophetische Gaben in der Band geweckt haben. Denn »Die Nerven« liest der jüngeren Gegenwart die Leviten, obwohl die Texte bereits vor zwei, drei Jahren entstanden: »Und ich dachte irgendwie, in Europa stirbt man nie.« Ein Album wie ein Vorschlaghammer für die Szenarien, die wir um uns hochziehen und sie Leben nennen. Es wäre jetzt einfach, auf die vielen Momente der Gitarre zu verweisen, auf ihr Wüten, ihr Zürnen, ihr Explodieren, ihr zwischenzeitliches Schunkeln. (Allein die pure Energie von »Alles reguliert sich selbst« ist der Noise-Ausbruch den Sonic Youth nie auf Platte unterbrachten.) Doch darunter ist es Kevin Kuhns hartes Schlagzeugspiel, das den Sound so dicht und nervös macht. Die zehn Songs nahm die Band in den Berliner Candy Bomber-Studios auf – die zwinkernden Referenzpunkte, so verrät es der Pressetext von Autor und Messer-Sänger Hendrik Otremba, waren Rammstein, Godspeed You! Black Emperor und laut Max Rieger: Wagner. Und ja, natürlich ist das hier pathetische Wut, das Große im Kleinen, unterwandert vom Gedanken des Post-Punk. Der Weltuntergang im Breitbildformat mit den rohsten Mitteln. Spätestens, wenn in »180°« die Streicher einsetzen, wenn es heißt: »Alles in und um uns rum ist zum Zerreißen angespannt, Baby, setz den Wagen an die Wand«, entlädt sich alles an Wucht und Energie dieses Albums. Der Anfang vom Ende, wie sie es ja selbst nennen. Dafür kann es gar keinen anderen Soundtrack geben.