Laut Jürgen Teipels Doku-Roman »Verschwende Deine Jugend« (erscheint Ende Mai in erweiterter Neuauflage) waren die Produktionsbedingungen von Andreas Doraus erster LP für ein Major-Label (die von Nena und Spliff erfolgsverwöhnte CBS) so enervierend, dass er daraufhin musikalisch »Jahre lang nichts mehr gemacht« hatte. Für ihn und die Marinas mögen die Begleitumstände von »…geben offenherzige Antworten auf brennende Fragen« traumatisierend gewesen sein, doch den zwölf ursprünglichen Liedern (der Re-Release enthält vier Bonustracks) ist die erlittene Unbill nicht anzuhören. Vielmehr erweisen sich die Stücke dank variantenreicher Instrumentierung und vertrautem Wortwitz (»Zur Tante nach Texas, denn die hat Geburtstag«) als überaus tanzbare Gute-Laune-Garanten. Neben den Alben von Die Zimmermänner (deren Saxofonist Christian Kellersmann hier mitwirkt) gehört diese Platte zu den abwechslungsreichsten der NDW: euphorisch geschmetterte Slogans (»Die Welt ist schlecht, das Leben ist schön«) wechseln sich ab mit trügerischen Spitzweg-Idyllen, Minnesang im Bossa-Kleid mit Slap-Bass-versehenen Adaptionen pfiffiger 50er-Jahre-Schlager. Wie elegant sich der 18-jährige Dorau dazu bewegte, zeigen die im Netz kursierenden Original-Videos zu »Die Welt ist schlecht« und »Fatme«. Besonders letztere Funk-Variante eines orientalisch angehauchten Fritz-Graßhoff-Schlagers ist die Wiederentdeckung wert. Ebenso die hier enthaltene 1982er Single »Kleines Stubenmädchen«. Dieses Lied hätte mit seiner naiven Mitsingmelodie das hanseatische Äquivalent zu Lios Hit »Amoureux Solitaires« werden müssen – wenn es nicht boykottiert worden wäre. Wie es dazu kam, erfährt man detailliert von Superpunk-Sänger Carsten Friedrichs, der auch zum Debüt »Blumen und Narzissen« einen lesenswerten Essay verfasste. Mag sein, dass in den bisherigen Auflistungen wichtiger Pop-LPs aus Deutschland dieses Album mangels Verfügbarkeit nicht auftauchte. Nun gibt es keine Ausrede mehr!
Lara Sarkissian
Remnants
btwn Earth+Sky