»Ambient-Musik ist wie das Amnion, die zarte Membran, die den Fötus im Mutterleib umgibt«, schrieb der Autor Simon Reynolds in seinem Klassiker »Energy Flash« (1998). Ein weirder Vergleich, wenn man bedenkt, dass der Fötus in die Amnionflüssigkeit auch uriniert. Aber natürlich ging es Reynolds um andere Assoziationen, und die lassen sich auf die 1981 gegründete Band Deux Filles beziehen. Die beiden The The-Abtrünnigen Simon Fisher Turner und Colin Lloyd Tucker schlüpften für dieses Projekt in die Rolle zweier französischer Mädchen. Das Motiv der Verwandlung, das eben auch die Fetogenese so spannend macht, war dabei für die beiden derart existent, dass sie mitunter das Gefühl hatten, wirklich zu diesen Mädchen zu werden. Was als Vermarktungs-Gag begonnen hatte, wurde zur künstlerischen Notwendigkeit, und erinnert heute an Reynolds spätere Idee von Ambient als einer mit dem Femininen assoziierten Geborgenheit. Jetzt wurden die ersten beiden Alben wieder aufgelegt. Sie orientieren sich am frühen Brian Eno und Terry Riley, eröffnen aber eine eigene, verstohlene Idylle. Auf dem Debüt »Silence & Wisdom« legen sich gebetartige Spoken-Word-, Kirchenglocken-, oder Katzenschnurren-Samples in eine Tape-Delay-gebadete Kontemplation aus flirrenden Gitarren, dämmerigen Synths und einem wie sich selbst mimenden Klavier. Mehr noch als auf dem Nachfolger verbindet sich kindlich-impulsive Heiterkeit mit fortdauernder Mystik. Gibt es vielleicht irgendwo zwischen Sein und Werden keine Zeit? 40 Jahre später klingt es umso mehr danach.
Silence & Wisdom