Review

Deerhunter

Why Hasn’t Everything Already Diappeared?

4AD • 2019

Die Frage im Titel des achten Studioalbums von Deerhunter stellte sich auch der französische Philosoph Jean Baudrillard in einem seiner letzten Essays. Das ist natürlich kein Zufall, passt doch der Vordenker der Simulationstheorie nur zu gut zu den oftmals fatalistischen Texten von Bradford Cox, die nicht erst seit gestern um die Themen Verlust, Verfall und Verschwinden kreisen. Vorbei sind allerdings die Tage, in denen diese Texte in ein krachiges, klaustrophobisches oder auch Nostalgie-triefendes Soundgewand gehüllt wurden. Mit dem letzten Album »Fading Frontier« ist die Band in ihre eigene Pop-Ära eingetaucht und zeigt sich nun auf dem neuen Werk so eingängig und zärtlich wie nie. Koproduziert von Cate Le Bon sind die zehn Songs auf »Why Hasn’t Everything Already Disappeared?« gleichzeitig betont un-rockig und experimentierfreudig: statt verzerrte Gitarren erklingen Harmonium, Streicher, Bläser oder Xylophone. Cox‘ von jeher zerbrechlicher Gesang wird zudem oftmals noch verfremdet, nach unten gepitcht oder bis zur Unkenntlichkeit verwaschen. Größtenteils ist diese Reibung zwischen instrumentellem Wohlklang und den bitteren, teils kaum verständlichen Lyrics durchaus interessant. Höchstens beim Synth-lastigen, dahinplätschernden »Détournement«, in dem Cox scheinbar wahllos Plattitüden aus Politiker-Reden aneinanderreiht, geht das neue Konzept nicht recht auf. Ansonsten hält die musikalische Zuckerglasur um die bittere Pille, dass wir alle mitsamt unseren Träumen und Wünschen irgendwann im Grab landen – und wer weiß: Vielleicht spendet nach dieser Erkenntnis die Möglichkeit, lediglich in einer Simulation zu existieren, der Einen oder dem Anderen sogar etwas Trost.