Das Soloalbum »Blemish« aus dem Jahr 2003 ist eines der experimentellsten und persönlichsten Werke David Sylvians. Es entstand in Zeiten einer persönlichen Krise des ehemaligen Frontmanns der Band Japan und wird von ihm selbst als »kathartisch« bezeichnet. Zehn Jahre später bearbeitete der deutsche Elektroakustiker Stephan Mathieu Sylvians Instrumentalspuren. Entstanden ist »Wandermüde« als ein in Echtzeit entstandenes Remix-Album, das ganz ohne Mehrspuraufnahmen, Overdubs, neue Arrangements oder andere produktionstechnische Hilfsmittel auskommt. Was die Software, gefüttert mit den Originalaufnahmen, ausspuckte, wurde entweder genau so übernommen oder komplett verworfen. Nun, wiederum zehn Jahre später, erscheint »Wandermüde« mit dem fast neunminütigen Bonustrack »I Can’t Pretend To Care« und neu gemastert von Mathieu ein weiteres Mal. Die Klangräume, die hier auch mit Hilfe von befreundeten Musikern wie Christian Fennesz und Derek Bailey entstehen und meist aus Gitarren-Drones, Rückkopplungen und anderen Störgeräuschen bestehen, sind atmosphärisch dicht, geisterhaft und wie auf »Dark Pastoral« fast gespenstisch. So passt »Wandermüde« nach wie vor sehr gut in unsere von vielen Krisen geschüttelte Gegenwart: Ein wenig eskapistisch, dann wieder unbehaglich, sprachlos und zugleich dunkle Vorahnungen beschwörend, können die 65 Minuten sowohl als Soundtrack des Ist-Zustandes als auch als Mittel zur Weltflucht dienen.
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Sonig