Wenn das Prädikat »Chamäleon der Popmusik« nicht auf ewig mit David Bowie assoziiert wäre, würde diese Zuschreibung auch David Sylvian gut zu Gesicht stehen. Denn als Sänger und Songwriter der Band Japan war er Anfang der 1980er-Jahre erst eine der Speerspitzen von Charts-tauglichem Synth-Pop, der unter dem Label »New Romantics« subsumiert wurde, bevor Sylvian sich dann als Solokünstler zwar nicht mehr so massentauglich, dafür umso variabler und künstlerisch herausfordernder in diversen Genres wie Ambient, Elektro, Jazz, Avantgarde und moderne Klassik austobte. Dabei entstanden sowohl langjährige Freundschaften als auch einmalige Kollaborationen mit so unterschiedlichen Künstlern wie Christian Fennesz, Ryuichi Sakamoto, Arve Henriksen oder Dai Fujikura. Die Stücke dieser vielen Nebenprojekte fasste »Sleepwalkers« erstmals 2010 zusammen – nun erscheint die Sammlung remastert, überarbeitet und mit dem bislang unveröffentlichten Track »Modern Interior«, in dem es um den Tsunami in Fukushima geht, erneut. Als nahezu einzige Konstante kann man David Sylvians Gesang ausmachen, der über die Jahre zwar tiefer und wärmer geworden ist, aber nichts von seiner raumgreifenden Eleganz und Theatralik eingebüßt hat. Zu so manchem Song, wie der unterkühlten Soul-Nummer »Money For All«, will seine Stimme zwar nicht so recht passen und auch die Tracklist ergibt kein konsistentes Album, sondern springt zwischen Stimmungen und Genres wild umher. Diese Widersprüchlichkeit ist allerdings gewollt, was David Sylvian mit einem Zitat von Aldous Huxley auf den Punkt bringt: »Consistency is contrary to nature, contrary to life«.
Sleepwalkers Remastered Edition