Review Electronic

Claire Rousay

The Bloody Lady

Viernulvier • 2024

Die »Blutgräfin« Elisabeth Báthory gehört zu den bekanntesten Figuren der neueren Musik. Zu verdanken ist dies vor allem dem First-Wave-Black-Metal und seiner Faszination für das Abjekte. Die Adelige soll Anfang des 17. Jahrhunderts in Wien und in der Slowakei über 80 Mädchen gefoltert und umgebracht haben. Nur um anschließend in ihrem Blut zu baden – ein Bild, das die Fantasie unzähliger männlicher Metalschädel beflügelt. Venom hat der »Countess« eine Hymne gewidmet, Bathory sich gleich nach ihr benannt. Die Geschichte dunkler Musik ist seither überschwemmt von psychosexuellen Anspielungen auf die Figur. Demgegenüber mutet die unaufgeregte Auseinandersetzung der elektroakustischen Komponistin Claire Rousay erfrischend nüchtern an.

»The Bloody Lady« ist ein warmes Ambient-Album, voller melancholischer Piano-Lines und Vogelgezwitscher. Vorsichtig webt Rousay Field-Recordings aus dem Umfeld von Bathorys Schloss in den Karpaten ein. Es ist ihre konventionellste, aber vielleicht auch konziseste LP bisher. Die Arrangements sind simpler als auf »Everything Perfect Is Already Here« und ohne die ambitionierten Pop-Transformationen von »sentiment«. Vielleicht ist das auch kein Wunder: »The Bloody Lady« ist der Soundtrack für ein Re-Issue eines gleichnamigen slowakischen Zeichentrick-Films von 1981. Es ist als Begleitung minimaler, verträumter Bilder gedacht. Doch es steht für sich, wie ein Monument der Zärtlichkeit angesichts menschlicher Abgründe. Ein spätes Jahres-Highlight.