Review Pop

Christian Elster

Pop-Musik Sammeln

[transcript] • 2020

Es gibt sicherlich eine Hand voll Bücher, die es schaffen das Plattensammeln in Worte zu fassen. Das bekannteste, »High Fidelity«, wird hier sogleich mehrfach zitiert. Obwohl es sich – da sollte von vornherein jedes Missverständnis vermieden werden – es sich hier um eine akademische Arbeit. Also Brille auf, Kragen zu knöpfen und gespitzten Bleistift hinters Ohr?
Naja, nicht ganz. Wer will, der darf gerne volle Kanne in den Uni-Modus gehen. Genügend Anlass die bunten Klebemarkierungen rauszuholen und die Ränder damit vollzuknallen, bieten diese 200 Seiten durchaus. Gerade der Anfang und das Ende dieser Arbeit, die stylisch »Intro« und »Hidden Track« benannt sind, sind voller akademischer Verflechtungen, Verweise, Verortungen. Da wird mal wieder ausgiebig diskutiert, was denn Pop-Musik überhaupt sei; vielleicht nicht ganz zu Unrecht, da auch heute noch in jedem zweiten Gespräch klargestellt werden muss, was man darunter zu verstehen hat. Nein, Leute, Pop-Musik heißt nicht »Chartsmucke« – jedenfalls nicht zwangsläufig. Selbst für Menschen, die den Wälzer des Spex-Mitgründers Diedrich Diederichsen »Über Popmusik« durchgearbeitet haben, finden hier trotzdem noch ein paar neue Aspekte: Die Punks als Guerrilla der Zeichen, deren Codes sich nicht entwickelt haben, sondern entwickelt wurden – klingt logisch. Dennoch bleiben die vom Autoren Christian Elster so genannten zehn »Tracks« Kern dieser Arbeit. Hier taucht er tief ein in die Welt des Sammelns und beleuchtet möglichst viele Aspekte, durch Beobachtung, Interviews und autoethnografischen Studien, also Selbstreflexion. Jemand der weiß, wie es ist mit Vinyl-Sammlungen umzuziehen, wie PVC-Hüllen in Plattenkisten riechen und klingen, warum man manchmal große Lust hat viel zu kaufen und dann wenig mitnimmt (oder andersrum), der darf das Wissen gerne teilen. Aber »Pop-Musik Sammeln« ist nicht (nur) eine Lobeshymne auf Vinyl, CDs, Kassetten etc., sondern auch eine ehrliche Betrachtung dessen, was die modernen Medien mit sich gebracht haben. Wie stöbert man in Online-Shops, wie sortiert man seine MP3-Sammlung – und was macht man eigentlich mit den Streaming-Portalen, die sehr cloudy und in gewisser Weise unintuitiv zwar unfassbar viel Musik liefern, man aber gar nicht mehr weiß, wonach man sucht. Christian Elsters Arbeit ist natürlich Nerd-Material und ist akademisch – man kann aber wirklich relativ locker daran vorbei rutschen und in die teils sehr witzigen Interviews einsteigen. Klug, aber nahbar.