Review Pop

Céline Gillain

Mind Is Mud

Cortizona • 2023

Popmusik lässt sich auf viele verschiedene Arten definieren, am einfachsten aber als Umarmung, als wohlig-vertraute Geste der Nähe. »Mind Is Mud« ist in diesem Sinne ein Popalbum, nur dass die Umarmung unmittelbar von hinten erfolgt, Entfremdungseffekte fester Teil des Konzepts sind. Schon Céline Gaillains Debüt »Bad Woman« aus dem Jahr 2021 setzte mit dem Cover-Artwork angefangen bis hin zur letzten Note auf Uncanny-Valley-Effekte, diese neun Stücke tun es ihm gleich. Das Klangbild ist reduziert bis spartanisch, bis auf Drums, Bassline und feindosierte melodische und harmonische Elemente bietet es wenig. Und doch ist es von einer Fülle geprägt, die sich direkt aus Gillains Ansatz speist: »I don’t really write, I copy paste and then I arrange and rearrange«, schreibt sie in einem Statement zum Album. Tatsächlich tauchen immer wieder Zitate aus der Musikgeschichte auf, evoziert sie klassische Strukturen von elektronischer und Popmusik – selbst die Lyrics sind ihrer Aussage nach Collagen aus anderen Texten. So finden dann bräsige Drone-Tracks mit IDM-Geratter, bouncenden Offbeats und auch mal Anleihen an den New-Beat-Sound – Belgien, klar – zusammen. In diesem verworrenen Miteinander beweist Gillain eine stimmliche Flexibilität, die jederzeit im Dialog mit der musikalischen Vielfältigkeit steht. Hier Leslie-Winer-Cool, dort Scott-Walker-Theatralik, dazwischen Spoken-Word-Passagen und leichtfüßige Hooklines: Was immer der jeweilige Song gerade braucht. Es scheint so vieles an diesem Album vertraut, es ist schon irgendwie Pop – doch kommt jedes Stück so unerwartet wie eine unmittelbar von hinten erfolgte Umarmung.