Review

Carlos Cipa

All Your Life You Walk

Denovali • 2014

Angesichts der Schwemme von zarten Piano-Alben ist guter Rat teuer: Wo hört eigentlich der Kitsch auf, und wo fängt die Kunst an? Nicht alles, was gut, einfühlsam und irgendwie schön klingt, hat das Potenzial zum Dauerbrenner. Der Münchener Carlos Cipa hatte bereits auf seinem Debütalbum »The Monarch And The Viceroy« herzlich wenig auf die Unterschiede gegeben. Sein Entwurf moderner Komposition für das Piano war so roh wie die Hardcore-Bands, in denen er in seiner Jugend gespielt hat, sein Verständnis für poppige Leitmotive ordnete sich keinem elitären Selbstverständnis unter und sein Umgang mit dem Instrument gab sich beherzt statt verträumt. »All Your Life You Walk« knüpft mit seinen neun ausformulierten Stücken und sechs experimentellen Miniaturen dort an, wo der letzte Akkord des Vorgängers verklang und verwandelt alle melancholische Schwere lieber in Wucht, anstatt sie leise auszuseufzen. Carlos Cipa richtet sich nicht nach dem Metronom, sondern seiner Intuition. Das macht seine Musik so besonders: Dass sie einerseits die Zuschreibungen umgeht und gleichzeitig nur sich selbst verpflichtet ist. Mit dem dezenten Einsatz von Drones, weißem Rauschen und gelegentlichen Streicherpassagen wie auf dem grandiosen »Step Out From Time« rundet der Kompositionsstudent Carlos Cipa ein gelungenes Album atmosphärisch ab. »All Your Life You Walk« ist der nächste Schritt auf einem hoffentlich langen Weg.