Review

C. Diab

Imerro

Tonal Union • 2024

Über Kanada fegt eine der stärksten Hitzewellen seit Beginn der Wetteraufzeichnungen hinweg, als Caton Diab zwei Monate lang von Vancouver aus per Fähre auf die Halbinsel Vancouver Island übersetzt. Nur unterstützt durch seinen Toningenieur entsteht dort in der Abgeschiedenheit der Natur die Acoustic-Ambient LP »Imerro«. »Imerro« ist ein altes griechisches Wort für: Sehnsucht. Für seine Produktion lässt sich C. Diab von allem Spielbaren, das in den Risque Disque-Studios zu finden ist, affizieren. Dabei ist das Cello, das das Werk tonal am markantesten prägt, ein Bluff. Stattdessen sind es Gitarren, deren Seiten Diab mit dem Bogen bestreicht und denen er mit geradezu brutaler Inbesitznahme Resonanzen größter Schönheit abtrotzt (und damit Assoziation irgendwo zwischen DJRum oder Arthur Russell weckt). Auf »Imerro« werden außerdem das Klavier, die Orgel oder das Banjo mit modularen Synthesizerklängen verschränkt und immer neue Verfremdungen exerziert: Ist das ein Saxophon oder ein Dudelsack? Wähnt man sich bei dem Titel »The Excuse of Fiction« in einem Instrumental von The War on Drugs, findet man sich bei »Crypsis« an Fennesz erinnert oder bei »Tiny Umbrellas« in einer Wildnis wieder, die Eddie Vedder für den Soundtrack von Into The Wild inspiriert haben mag. Nicht grundlos spricht C. Diab von »post-classical grunge«. Bis zu welchem Grad darf Ambient klassische Musikinstrumente integrieren, ohne sich dem Kitsch preiszugeben? Auf »Imerro« gelingt diese Gradwanderung beispielhaft.