Bobbie Gentrys Geschichte ist sehr amerikanisch und ungewöhnlich zugleich. Fängt an als Selfmade Woman, als Kind arm aufgewachsen in Chickasaw County in Mississippi auf einer Farm ohne Strom, dafür mit Klavier und batteriebetriebenem Radio. Die Songs, die sie hört, bringt sie sich selbst bei. Später ermöglichen ihr diese Fähigkeiten eine Ausbildung am Konservatorium in Los Angeles, 1967 dann ein Plattenvertrag bei Capitol. Erfolg mit ihrer Bluesnummer »Ode to Billie Joe«, in der sie mit leicht knarziger Stimme von Selbstmord erzählt. Anfang der siebziger Jahre eine eigene Fernsehshow, ein Jahrzehnt später kompletter Rückzug aus dem Musikgeschäft. Ihr Fall zeigt, dass Gesichtspflege im Musikgeschäft Not tut. 2018 erschien als Gegenmaßnahme eine CD-Box mit ihren Capitol-Aufnahmen, jetzt folgt im Jahr ihres 80. Geburtstags eine Auswahl auf Vinyl. Darunter sind vor allem eigene Kompositionen, ihre Beatles-Cover fehlen hingegen. Gentry hat eine warme Stimme, stets ein wenig gebrochen, Wehmut liegt ihr mehr als Stimmungskanonencountry. Auch in den Nummern mit dem Kollegen Glen Campbell wie »Let It Be Me«, hier in einer zerbrechlichen streicherfreien Version, bleibt der Ton introspektiv. Rockröhre konnte sie dennoch, »Mississippi Delta« zum Beispiel, indem sie sogar die Buchstabenfolge »M, I, double S, I, double S, I, double P, I« zum Rocken bringt. Ihr schönster Song bleibt aber »Seasons Come, Seasons Go« über die stille Sehnsucht des Wartens. Eigentlich ein Beispiel für üppiges Arrangement, das die Musik trotzdem nicht kaputtkriegt, hat die verwendete Demoversion den Vorteil, dass man die Stärken von Bobbie Gentrys Songwriting und Gesang frei von Dekoration erlebt. Juwel.
Bonnie ›Prince‹ Billy
Keeping Secrets Will Destroy
Domino