Protestmusik gilt als ambivalente Sache. Sie rettet selten die Opfer von Gewalt – wenn man böse sein will, könnte man sogar sagen, sie hilft in erster Linie denen, die sie schreiben und hören, um mit den Leidenden mitzufühlen. Doch das ist nur die eine Seite. Zum einen ist nichts Ehrenrühriges daran, gegen die Übel in der Welt anzusingen, und sei es nur, um sich seinen Kummer von der Seele zu schaffen. Und dann ist Musik selbst auf einer grundlegenden Ebene immer auch eine Form von Widerstand, schließlich ist sie in manchen Gesellschaften vollständig verboten. Wenn Bilal sein fünftes Studioalbum jetzt allen Opfern von Ungerechtigkeit in der Welt widmet, ist das daher kein Grund, an seiner Aufrichtigkeit zu zweifeln. Erst recht nicht, wenn er das mit so schön kratzigen Produktionen wie auf »In Another Life« tut. Seine heisere, in der Höhe leicht gequetschte Stimme passt bestens zu den angerauten Arrangements, die für orthodoxen Neo-Soul meistens eine Spur zu verspielt geraten – hier etwas Psychedelik, da ein paar Jazz-Elemente oder eine Drumcomputer-Einlage mit Verneigung in Richtung von »Sexual Healing«, dort ein Gast-Rap von Kendrick Lamar Das einzige, was man Bilal vorwerfen könnte, ist die gelegentliche Neigung, seinen Vorbildern nachzueifern. »Lunatic« klingt sehr nach dem Versuch, so zu miauen wie Prince und in anderen Stücken scheint er auf den Schultern des allmächtigen Stevie Wonder zu stehen. Doch auch hier ist die Kritik ein wenig billig, denn um einen wie Stevie Wonder kommt, wer Soul macht, immer noch kaum herum. Und Bilal braucht sich hinter ihnen schon gar nicht zu verstecken.
Bilal
A Love Surreal
eOne