Mit seinem ersten Vollzeitjob, dem Mini-Album »Solar Dreams/Neon Decay«, schöpft Becoming Real aus den überbrodelnden Quellen des britischen Elektro und modelliert damit seine ganz eigene Synthese aus Techno, Dubstep, UK Funky und überhaupt aus eigentlich allem, was das Königreich in den letzten Jahren aus den Sequencern gezaubert hat. Was beim Opener »Snow Drift Love«, einem gradlinigen Tanzflächen-Teaser und housigem Vocal-Sample, noch nach gehauchtem Unterstatement riecht und anschließend bei »Lady Lazarus« nur zögerlich aus der Reverb-Reserve gelockt wird, bekommt ab »Work Me« – auch dank des saftigen Toastings von Dancehall-Dame Lady Chann – endlich mehr Dancefloor-Drive. Auch das polymetrische »Equinox«, eine Dubstep-Anleihe mit deutlich mehr Dub als Step, und das überpunktierte »Zoning« resultieren als Überbleibsel jener eigenwilligen Mutanten-Musik, die der derzeitige Chef-Bedroom-Producer mit »Fast Motion« vor zwei Jahren angedeutet hatte. Doch wirklich zündende Energie setzt »Solar Dreams/Neon Decay« nicht frei. Hätte der Kunststudent der University of Kingston solch 808-knüppelnde Synthie-Schweren wie vom beklemmenden »Anthropology« auf Albumlänge fokussiert oder mehr solch großartiger Gastbeiträge wie von Sunless 97-Mitglied Alice auf dem asiatisch angehauchten Phaser-Pop »Slow Memory« zugelassen, Becoming Real wäre längst größer als sein Internet-Hype. Doch nach den sieben Tracks, die in geizigen 29 Minuten zusammengequetscht wurden, bleibt nur die Erkenntnis, dass ein bisschen von allem vielleicht doch zu wenig ist.
Fiction
The Big Other
Moshi Moshi