»Kommst du mit? Azymuth spielen heute Abend.« Leicht verwirrt schaue ich mein Gegenüber an, dachte ich doch, dass die brasilianischen Legenden nach dem Ableben des Keyboarders José Roberto Bertrami 2013 aufgehört hätten. Doch weit gefehlt: Alex Malheiros (Bass & Gitarre) und Ivan Conti (Schlagzeug) machten und machen weiter. Im Andenken an den alten Bandkollegen, ging man dabei letztes Jahr sogar das erste Mal wieder auf Tour und veröffentlicht nun die erste Platte nach einer Trauerphase von fünf Jahren. »Fênix«, also der Phoenix, der aus der Asche, dem Tode, aufsteigt, ist in seiner Bildhaftigkeit nicht zu unterschätzen. Altes und Neues trifft aufeinander und schmilzt zusammen in dieser Veröffentlichung. Mit Kiko Continentino hat man einen würdigen Nachfolger gefunden, der es tatsächlich schafft bestimmte Manierismen Bertramis auszunehmen ohne sie nachzumachen oder zu imitieren. So klingt »Fênix« nach Azymuth mit all‘ ihren Crossover-Elementen aus Samba, Fusion-Jazz, Funk und noch so vielen Einflüssen mehr. Andererseits scheint hier und da dem gemeinsamen Jam was hinzugefügt worden zu sein. Also heißt es glücklicherweise Weitermachen und nicht Zurückschauen. Und so hat man hier eine vitale Zusammenstellung aus Songs, die sich über sechs Stücke erstmal in den Azymuth-Kosmos reinsteigert. Dann kommt der große Break: Igarapé, entführt einen über zwei Minuten ganz woanders hin; vielleicht in die jenseitige Seite der Musik. Daraufhin gewinnt die Platte auch nochmal an Fahrt, die disco’eskesten Stücke folgen, driftet dann ab, bleibt aber kraftvoll bis zum Closer. Dieser ist ganz in Phoenix-Tradition eine Variation des Openers. Alles kommt wieder, alles ist ein Kreis. Eine ganzheitliche Weltsicht, die auch aus der Trauer noch was Positives gewinnen kann.
Fenix