Hat man es hier etwa mit einer ganz neuen Sorte des »Bay Area Sounds« zu tun? Die aus San Francisco stammende Produzentin Avalon Emerson ist da erst mal nur eine Vorreiterin. Den Rest müssen dann noch andere leisten. Warum der Output der Newcomerin – sie ist noch keine 30 Jahre alt – trotzdem schon jetzt für Furore sorgt? Amerikanische House/Techno-Grenzgänger sind eh schon rar, von der Westküste umso mehr. Dazu gelten auflegende und produzierende Frauen leider immer noch als Seltenheit. Und umso mehr freut man sich, wenn es sich langsam wandelt. Darin dass Geschlecht keine Rolle spielen sollte, sind wir uns ja eh einig. Und so, schaut man sich die Platte genauer an, hat man es ganz schlicht mit einem wahren Brett zu tun. Sphärische Klänge werden mit harten Kicklines, die ohne langes Federlesen ordentlich nach vorne preschen, verbunden. Dies führt zu einem Sound, der sowohl den Liebhabern des Frontalen gefällt, als auch denen, die sich gerne mal in Geräuschen verlieren. Gerade die immer wieder dahinschwebenden Vocals, die versteckt im Dschungel der Strukturen ihren Kopf mal rausstrecken, sind Magneten für das nächtliche Gehirn. Die Nacht spielt eh eine große Rolle. Kein Nachmittags-Elektro oder ein abendliches Schwelgen wird evoziert; man ist schon auf die dunkle, düstere, vernebelte Tanzfläche gepolt. So kommt zwischen den maschinenhaften Sounds, die von Detroit und No-Wave inspiriert sind, auch mal der Trance raus. Genau der richtige Sound um seinen eigenen Narzissmus auch mal in Rückzugsgefechte zu führen.
Narcissus In Retrograde